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Wer aaahh sagt...

Wer aaahh sagt...

Titel: Wer aaahh sagt...
Autoren: Richard Gordon
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verschwenden also ihre Zeit?« fragte Charlotte.
    Jim seufzte. »Die Friedensbewegung, eine nützliche politische Waffe - wenn auch nicht gerade eine Atomwaffe. All diese modernen Protestbewegungen sind austauschbar, weißt du. Selbst die sogenannten guten Absichten führen zur geistigen Vergiftung des Durchschnittsmenschen, und die Schlechten können ihrer Bösartigkeit freien Lauf lassen. Wir würden gerne Ihre Privatpatienten werden, Doktor Gordon. Nicht wahr, Liebste?«
    Charlotte nickte lebhaft.
    Aha, dachte ich. Das Abendessen war eine Falle. Ich hatte das entscheidende Kreuzverhör durchgestanden. Ich fühlte mich noch mehr geschmeichelt.
    »Sie sind einer dieser netten, liebenswürdigen altmodischen Ärzte, von denen ich betreut werden möchte« -Charlotte schenkte ihrem Mann ein kokettes Lächeln -»wenn ich einmal schwanger werden sollte.«
    »Churchford soll wissen, daß wir einen Arzt aus Churchford konsultieren, weil Churchford wissen soll, daß wir uns fest in Churchford niedergelassen haben.« Jim lächelte wieder. »Wir haben schließlich die außerordentliche Ehre, die Nachbarn von Sir Damian Havers zu sein.«
    »Einer meiner Patienten«, erklärte ich bescheiden.
    Sir Damian war der große Schauspieler, dessen Stimme in den Sonntagszeitungen mit riesigen Höhlen im Gewitter, losbrechenden, fernen Lawinen oder mächtigem Orgelbrausen unter Wasser verglichen wurde. Ich erinnerte mich, daß der verdammte Kerl mein Honorar nicht bezahlt hatte.
    Auf dem Nachhauseweg stellte Sandra entschieden fest: »Jim Whynn ist ein falscher Hund.«
    Ich war schockiert. »Warum?«
    »Leuten, die so leicht Sympathien gewinnen, kann man nicht trauen.«
    Ich protestierte. »Aber ich habe großen Eindruck auf ihn gemacht.«
    Sie seufzte. »Besteht nicht die Möglichkeit, Liebster, daß ihm deine Meinung einfach ganz egal ist?«
    »Du hältst mich doch nicht etwa für aufgeblasen?«
    Ich war beunruhigt. Viele Leute in meinem Alter benahmen sich so. Aber doch nicht so ein >netter Kerl< wie ich?
    »Er möchte mein Patient werden«, erinnerte ich sie, »ein Politiker mit bewundernswerter Urteilsgabe.«
    »Du wirst dir noch die Zähne an ihm ausbeißen«, warnte sie mich ernst.
    »Menschen sind das tägliche Brot eines Arztes«, meinte ich zuversichtlich.
    Und vermutlich gibt es ein paar nette Kerle darunter, dachte ich.
    Die Wahlen fanden kurz nach dieser Einladung statt, im Juni. Jims Wähler dankten es ihm, daß er sich so um sie gekümmert hatte.
    Anfang Oktober rief Jim an, gerade als ich das köstlichste Getränk des Tages, den morning tea, im Bett zu mir nahm.
    »Ich bin munter wie ein Fisch im Wasser«, unterbrach er meine Glückwünsche. »Aber ich muß Sie wegen einer dringenden und wichtigen Sache sehen. Paßt es Ihnen heute abend?«
    »Das ist äußerst schmeichelhaft«, bemerkte ich zu Sandra.
    »Sei vorsichtig«, warnte sie mich wieder. »Die meisten Politiker sind Heuchler.«
    »Heuchelei ist ein zivilisiertes Laster«, entgegnete ich. »Niemand stiftet in England mehr Unruhe, als einer, der die Wahrheit sagt.«
    Jim öffnete selbst die Tür. Das runde Wohnzimmer war leer.
    »Oh, die Wahl war gar nichts, diente nur zur Sicherung der Basis«, begann er herzlich. »Jetzt beginnt erst der richtige Kampf. Ich glaube, meine bis jetzt härteste Probe war das Wahlkomitee in Churchford. Sie schnüffelten in meiner Familie herum, als wollte ich um ihre
    Töchter und nicht um ihre Stimmen werben. Und mein Vater hat der Partei seit Jahren stattliche Beträge zukommen lassen«, fügte er ärgerlich hinzu.
    Er reichte mir einen Scotch, während er am Kaminfeuer stehenblieb.
    »Ich habe mir Clem Attlees Ratschläge für frischgebackene Abgeordnete zu Herzen genommen: Spezialisiere dich und halt dich raus. Und was könnte eine lohnendere Aufgabe sein als der Staatliche Gesundheitsdienst?«
    Ich murmelte, daß es immer befriedigend sei, Leben zu retten und Leid zu lindern.
    »Ja, ja, natürlich«, sagte er kurz, immer noch im Stehen. »Aber erkennen Sie nicht, wie wunderbar politisch der Gesundheitsdienst ist? Jeder im Land ist davon betroffen, bereits vor der Geburt und selbst nach dem Tode noch. Die Krankheit ist keine Familientragödie mehr, sie gehört jetzt praktisch zur Regierungspolitik, wie die Arbeitslosigkeit.« Er überlegte: »Vielleicht ist beides ein Fehler? Schließlich standen plötzlich Millionen Menschen auf der Straße, als Bagger und ähnliches erfunden wurden. Nun, die Segnungen des Gesundheitsdienstes sind
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