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Wenn ich sterbe, stirbst auch du Kommissar Morry

Wenn ich sterbe, stirbst auch du Kommissar Morry

Titel: Wenn ich sterbe, stirbst auch du Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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beschäftigt.“
    „Vielen Dank, Madame, ich fühle mich geschmeichelt. Im übertragenen Sinne haben Sie gar nicht so unrecht. Ich bin tatsächlich ein Architekt, das heißt, ich bemühe mich, einer zu sein. Nur sind die Bauten, mit denen ich mich beschäftige, im allgemeinen sehr gewagte Gebilde der Phantasie, und bevor ich das Dach der Endlösung über einen Fall baue, vergeht mehr Zeit und Arbeit, als den meisten wirklichen Architekten zur Verfügung steht.“
    „Nehmen Sie Platz. Was kann ich für Sie tun?“ Sie befanden sich in einem Wintergarten, der mit bunten Glasscheiben eingefaßt war und in dem eine Reihe scheußlicher Korbsessel herumstanden.
    Die Sitzmöbel knarrten gequält, als man sich setzte. Patrick reichte Mrs. Ball das Foto. Bevor die Pensionswirtin es gründlich anschaute, holte sie umständlich ihre Brille hervor. Dann hielt sie das Foto in Armeslänge vor sich hin. Patrick verfolgte gespannt ihre Reaktion.
    „Mrs. Cumberland“, sagte Mrs. Ball zu seiner Überraschung auf Anhieb und gab ihm das Foto zurück. Sie nahm die Brille wieder ab und verstaute sie in einem schwarzen Plastiketui.
    Er fragte: „Wann wohnte Sie bei Ihnen?“
    „Etwa vor zwei Jahren.“
    „Wie oft war sie vorher hier?“
    „Niemals.“
    Patrick zog ein erstauntes Gesicht. „Sie wohnte nur ein einziges Mal bei Ihnen, und Sie können sich trotzdem genau an sie erinnern?“
    „Ja. Ich schmeichle mir, ein gutes Gedächtnis zu haben. Aber in diesem Fall gab es noch einen anderen Grund. Mit ihr kam nämlich der Bruder, ein gewisser Mr. Marbor oder so ähnlich, ich habe den Namen im Gästebuch stehen. Die beiden sahen einander so verblüffend ähnlich, daß es zum Tagesgespräch der Pensionsbewohner wurde. Sie glichen einander wie Zwillinge, aber Mrs. Cumberland gestand mir einmal, daß sie fast zehn Jahre älter sei als der Bruder.“
    „Wie lange blieben die beiden?“
    „Da bin ich überfragt..., fünf oder sechs Tage, glaube ich.“
    „Reisten sie gemeinsam ab?“
    „Ja, am gleichen Tag.“
    „Sagten sie etwas über ihr Reiseziel?“
    „Wenn ich mich recht erinnere, wollte Mrs. Cumberland zurück nach London.“
    „Warum blieben sie nur eine knappe Woche?“
    „Mrs. Cumberland wurde krank. Ihr bekam die Luftveränderung nicht. Sie erlitt eine Reihe von Schwächeanfällen.“
    „Schwächeanfälle?“
    „Ja..., sie mußte sich wiederholt ins Bett legen, weil ihr nicht gut war.“
    „Ließ sie einen Arzt holen?“
    „Ja, zweimal. Dr. Higgins behandelte sie.“
    „Hm“, machte Patrick und blickte Mrs. Ball fragend an. „Wie vertrugen sich die beiden?“
    „Der Doktor und Mrs. Cumberland?“
    „Nein“, lächelte Patrick. „Ich spreche natürlich von Mrs. Cumberland und ihrem Bruder.“
    „Da ist mir nichts Besonderes aufgefallen. — Ganz normal. Warum fragen Sie?“
    „Es ist sehr wichtig, wie die beiden zueinander standen. Sind Sie übrigens ganz sicher, daß Mrs. Cumberland ohne ihr Mädchen reiste? Wenn ich ,Mädchen“ sage, muß ich allerdings erklärend hinzufügen, daß es sich da um eine heute fast sechzigjährige Frau handelt.“
    „Die beiden waren allein; Mrs. Cumberland kam ohne Bedienstete“, erklärte Mrs. Ball fest. Patrick stand auf.
    „Es ist möglich, daß ich noch einige Fragen an Sie richten muß, Mrs. Ball. Zunächst möchte ich gern Doktor Higgins aufsuchen. Vielen Dank für Ihre freundlichen Auskünfte! Auf Wiedersehen.“
    Der Arzt, dem er wenig später gegenüber saß, war der Prototyp des Landdoktors. Angetan mit einer altväterlich wirkenden Cordsamtjacke und einem steifen, hohen Kragen, aus dem sein rosiges Gesicht wie die Verkörperung der Gesundheit wuchs, erschien er vertrauenerweckend und optimistisch. Er begrüßte Patrick mit einem langen, etwas übertriebenen Händeschütteln und klopfte ihm auf die Schulter.
    „Ich habe immer den allergrößten Respekt für die Männer von Scotland Yard gehabt“, sagte er, „und ich freue mich, einen dieser aufrechten Streiter für Recht und Sicherheit in meinem bescheidenen Heim begrüßen zu dürfen.“ Nachdem er noch mehr solcher geschwollen klingenden Worte von sich gegeben hatte, lud er Patrick zum Sitzen ein und fragte nach dessen Wünschen. Patrick erklärte ihm worum es ging.
    „Hm“, machte der Doktor und strich sich ein wenig verwirrt das glatt rasierte Kinn. „Warten Sie mal... Cumberland, Cumberland... Darf ich das Bild nochmals sehen?“ Er betrachtete es, drehte es herum, als könne ihm die Rückseite einen
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