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Wenn ich sterbe, stirbst auch du Kommissar Morry

Wenn ich sterbe, stirbst auch du Kommissar Morry

Titel: Wenn ich sterbe, stirbst auch du Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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eine Lederfabrik in der Nähe etablierte und nicht gerade ambrosische Düfte verströmt.“
    „Tut mir leid, Kommissar, ich kenne die Straße nicht.“
    „In der Nummer 13 wohnt eine alte Dame... eine gewisse Victoria Cumberland, die schon etwas über achtzig Jahre alt sein dürfte. Sie ist seit zwei Jahrzehnten verwitwet, und es heißt, sie sei millionenschwer. Sie war mit Cedric Cumberland verheiratet, einem Mann, der vor dem ersten Weltkrieg eine bedeutende Rohe im Weltdiamantenhandel spielte und einige Minen in Südafrika sein eigen nannte.“
    „Victoria Cumberland steht also allein?“
    „Ja, sie bewohnt das Haus nur mit ihrer Magd, einer ziemlich schwerhörigen, kurzsichtigen Person, die Mrs. Cumberland schon seit vierzig Jahren betreut.“
    „Was ist mit Mrs. Cumberland, Sir?“
    „Das wissen wir nicht. Die Magd rief uns vor einer Woche zum erstenmal an, weil sie sich ernstliche Sorgen wegen des Ausbleibens ihrer Herrin machte. Mrs. Cumberland ist nämlich vor vier Wochen aus London verschwunden. Seit dieser Zeit hat sie weder etwas von sich sehen noch hören lassen.“
    „Es entsprach also bisher nicht Mrs. Cumberlands Gewohnheiten, so lange von London wegzubleiben?“
    „Das ist ein besonders merkwürdiger Punkt. Die alte Cumberland hat London nie verlassen, niemals! Jahrein, jahraus blieb sie in der Ogden Road... bis sie plötzlich vor zwei Jahren das Reisefieber packte. Es war, so versichert uns die Magd, als wolle die alte Dame alle Versäumnisse der letzten Jahrzehnte nachholen. Eine Art Torschlußpanik, wissen Sie. Seit dieser Zeit war sie fast immer unterwegs... aber niemals länger als zehn Tage. Sie hielt sich dann eine Woche in London auf, um anschließend erneut zu verreisen. Aus Kartengrüßen und gelegentlichen Gesprächen konnte die Magd entnehmen, daß Mrs. Cumberland meistens in Blackpool oder Brighton hängenblieb.“
    „Sie sagten vorhin, die Magd rief vor einer Woche zum ersten Mal an. Sie hat sich also wieder gemeldet?“
    „Ja, heute. Deshalb ließ ich Sie rufen. May war vorige Woche in der Ogden Road und ersuchte die Magd, noch bis heute zu warten. Da sich Mrs. Cumberland inzwischen nicht gemeldet hat, erfolgte die gewünschte Benachrichtigung durch die Magd.“
    „Ich nehme doch an, May hat die in letzter Zeit eingegangenen Leichenfundberichte geprüft?“
    „Selbstverständlich. Es befand sich nur eine einzige Frau in Mrs. Cumberlands Alter unter ihnen. Die Identität konnte einwandfrei fest- gestellt werden. Es handelte sich um eine Gastwirtswitwe aus Leeds.“
    „Sie halten bei Mrs. Cumberland ein Verbrechen nicht für ausgeschlossen?“
    „Überlegen Sie einmal, Patrick: Mrs. Cumberland ist eine ungewöhnlich reiche Frau. Allein die Schmucksachen, die sie bei sich trägt, sind ein Vermögen wert. Sie ist für große und kleine Gauner ein gefundenes Fressen. Wir müssen also schnellstens herausfinden, wohin sich die gute Mrs. Cumberland begeben hat. Das ist Ihre Aufgabe.“
    „Verstanden, Sir. Darf ich mich gleich an die Arbeit machen?“
    „Ich bitte darum, Patrick.“
    Eine halbe Stunde später kletterte Patrick Sullivan aus einem Dienstwagen von Scotland Yard und schickte den Fahrer zurück. Die etwas protzig wirkenden Häuser der Ogden Road mit den gewaltigen Balkons und Erkern, den Säulen, Rosettenfenstern und Steinputten, wirkten wie der nur halb gelungene Versuch, das viktorianische Zeitalter mit seinen architektonischen Auswüchsen zu konservieren.
    Patrick erkannte sofort, daß in dieser Straße vornehmlich alte Menschen wohnten. Kein einziges Kind spielte auf den Bürgersteigen, und über allem lag eine Atmosphäre von Moder und Verfall. Die Fassaden der meisten Häuser benötigten dringend einen neuen Anstrich, und obwohl hier und dort der Putz von den Mauern bröckelte, blieb doch der Eindruck stolzer Wohlhabenheit erhalten. Während Patrick die stille Straße hinabging, hatte er das befremdende Gefühl, von hundert Augenpaaren beobachtet zu werden.
    Er vermochte sich plastisch vorzustellen, wie hinter den Gardinen der großen Fenster alte, dürre Damen nach ihrem Lorgnon griffen, und einige pensionierte Obersten die Augen zusammenkniffen, um prüfend zu erwägen, was dieser mit einem grauen Flanellanzug bekleidete junge Mann in der Ogden Road verloren haben könnte. Das Haus Nummer 13 war von allen Häusern ohne Zweifel der größte und düsterste Kasten. Es war mit allerlei unnötigem Stuck verziert und wirkte, als habe sein Architekt auf einem Minimum
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