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Wenn ich sterbe, stirbst auch du Kommissar Morry

Wenn ich sterbe, stirbst auch du Kommissar Morry

Titel: Wenn ich sterbe, stirbst auch du Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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begann nämlich plötzlich Kriminalromane zu lesen.“
    „War das ungewöhnlich?“
    „Gewiß. Früher hätte sie diese furchtbaren Dinger nicht einmal angeblickt, geschweige denn in die Hand genommen. Sie las nur Bacon, Shelley und ähnliches. Wenn sie sich wirklich einmal mit einem gemütsvollen Roman unterhalten wollte, griff sie allenfalls zu Glasworthy, aber ein Kriminalroman, wie gesagt, bedeutete ihr etwas Verächtliches.“
    „Aha. Was hat die gute Mrs, Cumberland nach Ihrer Ansicht zu dem überraschenden Wechsel ihrer Lektüre bewogen?“
    „Wenn Sie mich fragen, Sir, so war es höchstwahrscheinlich ein unerwartet zum Ausdruck gelangter Lebensüberdruß. Sie sehnte sich nach neuen Eindrücken... Sie betrachtete dieses Haus auf einmal wie eine Gruft, in der sie schon zu Lebzeiten wie eine Tote eingesperrt war.“
    „Drückte sie es auf diese Weise aus?“
    „Ziemlich genau, Sir.“
    „Daraufhin besorgten Sie ihr also die Kriminalromane?“
    „Oh nein, Sir. Der eigentliche Anstoß war ein Kriminalhörspiel..., eines von diesen entsetzlichen Dingern, die man zuweilen leider im Radio hört. Es muß Mrs. Cumberlands Phantasie ganz empfindlich beschäftigt haben, denn schon am Tage darauf befahl sie mir, eine Reihe von Kriminalromanen zu kaufen. Ich vergesse nie die Blicke, die mir die Verkäuferin in dem Buchladen zuwarf. Zum erstenmal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, vor Scham in den Boden versinken zu müssen. Es war in der Tat eine höchst peinliche Situation. Nun, das wird Sie freilich kaum interessieren. Hm, wo waren wir doch stehengeblieben? Ach richtig, bei Mrs. Cumberlands skurilem Steckenpferd. Ja, seit jenem Tag liest sie nur noch Kriminalromane. Zeitungen nimmt sie fast niemals zur Hand.“ „Können Sie sich an den Namen des Hörspiels erinnern?“
    „Tut mir leid, Sir. Das liegt zu lange zurück. Ich selbst habe kein Radio auf meinem Zimmer, und ganz gewiß hätte ich mir diese Sendung nicht angehört.“
    „Fassen wir zusammen: Mrs. Cumberland litt an Depressionen. Nach dem Hörspiel kam sie auf den Gedanken, Kriminalromane zu lesen, und kurz darauf begann sie, auf Reisen zu gehen, nicht wahr?“
    „So ist es, Sir?“
    „Hatte sie noch andere Angewohnheiten, die Ihnen mißfielen? Trank sie?“
    „Ich muß doch sehr bitten, Sir!“ stieß Rose Ipswich empört hervor. „Die gnädige Frau ist trotz ihres unseligen Steckenpferdes eine wahre Lady! Sie rührte selten Alkohol an.“
    „Selten? Was heißt das?“
    „Sonntags, vor den beiden Hauptmahlzeiten, nahm sie je ein Glas alten Portweins zu sich. Das war alles. Sie betrachtete das Getränk als Stimulans.“
    „Verstehe. Haben Sie ein Bild von Mrs. Cumberland da?“
    „Ja, Sir. Einen Augenblick, bitte.“
    Die Dienerin stand auf und lief zu einem Sekretär in der Ecke des Zimmers. Sie schloß ihn auf, holte ein Bild heraus und überreichte es Patrick.
    „Bitte, Sir. Das Bild ist zwei Jahre alt.. Damals mußte die gnädige Frau ihren ungültig gewordenen Personalausweis erneuern lassen. Sie benötigte ein neues Foto und beauftragte einen Fotografen, zu uns ins Haus zu kommen. Eine neuere Aufnahme als diese existiert nicht von der gnädigen Frau. Ich darf Ihnen aber versichern, daß sich Mrs. Cumberland seither kaum verändert hat.“
    „Zumindest nicht äußerlich, nicht wahr?“ fragte Patrick mit einem verbindlichen Lächeln.
    „Ganz recht, Sir“, erwiderte die Bedienstete und nahm wieder auf der äußersten Kante des Sofas Platz.
    Patrick betrachtete das Foto. Es zeigte eine hagere alte Frau mit schmalen, farblosen Lippen und einem arroganten Gesichtsausdruck. Das spärliche graue Haar war glatt zurückgekämmt und in einem Knoten zusammengebunden. Um den faltigen Hals lag ein schwarzes Samtband, dessen Vorderseite von einer nußgroßen Brosche verziert war. Der Anblick des Schmuckstückes ließ Patrick fragen: „Gehörte es zu Mrs. Cumberlands Gewohnheiten, wertvollen Schmuck zu tragen?“
    „Sie haßte Schmuck, Sir, und sie besitzt nicht viel davon. Allerdings gehört ihr ein Brillantring, ein Hochzeitsgeschenk des seligen Mr. Cumberland, den sie nie ablegt.“
    „Wie groß war der Stein des Ringes?“
    „Ich erinnere mich, daß Mrs. Cumberland einmal von zehn Karat sprach. In welchem Zusammenhang, weiß ich nicht mehr.“
    Patrick pfiff durch die Zähne. „Für einen Zehnkaräter können Sie heutzutage die ganze Ogden Road kaufen“, sagte er. „Den Ring hat sie natürlich mit auf die Reise genommen?“
    „Ich
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