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Wenn Frauen zu sehr lieben

Wenn Frauen zu sehr lieben

Titel: Wenn Frauen zu sehr lieben
Autoren: Robin Norwood
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als so wundervoll, so viel versprechend erlebt hatte, lief sie ihrem Partner unterwürfig hinterher, bettelte um mehr Zuneigung, mehr Sicherheit, mehr Liebe – und bekam immer weniger davon. Je schlimmer die Situation wurde, desto schwerer fiel es ihr loszulassen. Sie konnte nicht aufgeben. Sie brauchte die Beziehung zu sehr.
    Jill war 29  Jahre alt, als sie zum ersten Mal zu mir kam. Ihr Vater war sieben Jahre zuvor gestorben, aber er bedeutete ihr noch immer mehr als jeder andere Mann. In gewisser Hinsicht war er der einzige Mann in ihrem Leben, weil die Beziehung zu jedem anderen, von dem sie sich angezogen fühlte, in Wirklichkeit doch nur der Versuch war, eine Beziehung zu ihrem Vater herzustellen und endlich die Liebe von ihm zu bekommen, die er ihr aufgrund seiner eigenen Probleme nie hatte geben können.
    Wenn unsere Kindheitserfahrungen besonders schmerzlich waren, stehen wir oft hinter dem Zwang, das ganze Leben hindurch unbewusst gleichartige Situationen immer wieder neu zu inszenieren – unter dem Druck, endlich die Herrschaft über jene Erfahrungen zu erlangen.
    Wenn wir also wie Jill von einem Elternteil, den wir liebten und brauchten, nicht wiedergeliebt wurden, dann suchen wir uns als Erwachsene oft einen Partner – oder einen nach dem anderen –, der diesem Elternteil ähnelt. Es ist der Versuch, den alten Kampf ums Geliebtwerden doch noch zu «gewinnen». Jill zum Beispiel fühlte sich immer wieder zu Männern hingezogen, die nicht zu ihr passten.
    Es gibt den alten Witz von einem kurzsichtigen Mann, der spätabends seinen Schlüsselbund verloren hat und nun im Licht einer Straßenlaterne danach sucht. Jemand anders kommt vorbei und bietet an, ihm bei der Suche zu helfen, fragt aber zunächst: «Sind Sie sicher, dass Sie die Schlüssel hier verloren haben?» Der Mann antwortet: «Nein, aber hier ist es hell genug zum Suchen.»
    Wie dieser Mann suchte auch Jill nach etwas, das in ihrem Leben fehlte, aber sie suchte nicht da, wo die Hoffnung bestand, es zu finden. Als eine Frau, die zu sehr liebt, suchte sie da, wo die Suche am einfachsten für sie war.
    In diesem Buch werden wir herausfinden, was «zu sehr lieben» heißt, warum wir es tun, wo wir es gelernt haben und wie wir uns von dieser Form des Liebens trennen können, um unsere Beziehungen befriedigend zu gestalten. Zunächst will ich noch einmal Punkt für Punkt auf die typischen Merkmale von Frauen, die zu sehr lieben, eingehen.
    1. Im typischen Fall stammen Sie aus einem gestörten Elternhaus, in dem Ihren emotionalen Bedürfnissen nicht entsprochen wurde.
    Die Bedeutung dieses Satzes lässt sich wohl am einfachsten erschließen, wenn wir uns zunächst seiner zweiten Hälfte zuwenden: «… in dem Ihren emotionalen Bedürfnissen nicht entsprochen wurde.» Dabei sind mit «emotionalen Bedürfnissen» nicht nur die nach Liebe und Zuwendung gemeint. Noch schwerwiegender als diese wichtigen Aspekte ist es, dass Ihre Wahrnehmungen und Gefühle weitgehend unbeachtet blieben oder sogar verleugnet wurden, statt anerkannt und bestätigt zu werden. Hierzu ein Beispiel: Die Eltern streiten sich. Das Kind verspürt Angst und fragt die Mutter: «Warum bist du so böse auf Papa?» Die Mutter antwortet: «Ich bin doch gar nicht böse», sieht dabei aber wütend und erregt aus. Das Kind spürt Verwirrung und noch mehr Angst und sagt: «Ich habe dich aber schimpfen hören.» Die Mutter erwidert aufgebracht: «Noch einmal: Ich bin nicht böse, aber das wird sich gleich ändern, wenn du so weitermachst.» Das Kind erlebt jetzt Gefühle von Angst, Verwirrung, Ärger und Schuld. Die Mutter hat damit indirekt zu verstehen gegeben, dass die Wahrnehmung des Kindes nicht korrekt ist, aber wenn das stimmt, woher kommen dann die Angstgefühle? Nun muss das Kind eine Entscheidung treffen: zwischen dem Wissen, dass es recht hat und von seiner Mutter absichtlich belogen wurde, und dem Glauben, dass es mit dem, was es hört, sieht und fühlt, im Unrecht ist. Häufig bleibt dem Kind damit nichts als Verwirrung. Es muss seine Wahrnehmungen «abschalten», um nicht in die unangenehme Lage zu kommen, dass sie ihm im Nachhinein abgesprochen werden. Dies beeinträchtigt die Fähigkeit des Kindes und späteren Erwachsenen, sich und seinen Wahrnehmungen zu trauen – vor allem in engen Beziehungen.
    Vielleicht wird auch dem Bedürfnis nach Zuwendung überhaupt nicht oder nur unzureichend entsprochen. Wenn Eltern miteinander streiten oder in andere Formen der
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