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0143 - Das Monster aus der Vergangenheit

0143 - Das Monster aus der Vergangenheit

Titel: 0143 - Das Monster aus der Vergangenheit
Autoren: A.F. Morland
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Die Mumie stand in einem zwei Meter hohen Glasschrank. Von grauen, brüchigen Bandagen eingehüllt. Im Tode erstarrt. Ausgestellt in einem Seitentrakt des Chicagoer Historischen Museums.
    Sabrina Kelly, ein Mädchen von neunzehn Jahren, mit schulterlangem dunklem Haar und pechschwarzen Augen, schüttelte leicht schaudernd den Kopf.
    »Was hast du?« fragte John Calidge John war um ein Jahr älter als seine Freundin. Ein junger Mann, der Jeans und weite Pullis liebte.
    »Wenn man bedenkt, daß das einmal ein Mensch wie du und ich gewesen ist«, sagte Sabrina.
    »Eth Al-Oman war Hohepriester im alten Ägypten.«
    »Und heute, so viele Jahre nach seinem Tod, steht er hier und muß es sich gefallen lassen, daß wir ihn anstarren. Ich finde, das ist nicht richtig. Eth Al-Oman hätte genauso das Recht gehabt, in seinem Grabmal ewige Ruhe zu finden wie jeder andere Mensch. Statt dessen hat man ihn ausgebuddelt und zeigt ihn nun auf Wanderausstellungen her, wie einen Stein.«
    »Du mußt bedenken, Eth Al-Oman war eine Berühmtheit in seiner Zeit. Die Geschichtsbücher berichten über ihn. Lange Zeit wußte niemand, wo sich sein Grabmal befand. Nun hat man es endlich gefunden, und die Menschen, die so viel über ihn gelesen haben, möchten ihn gern kennenlernen. Auch wir sind seinetwegen hier.«
    »Ich weiß, dich interessiert alles, was nur irgendwie mit Ägypten zusammenhängt«, sagte Sabrina. »Es ist dein Hobby. Tut mir leid, ich kann dem Ganzen nichts abgewinnen. In meinen Augen ist es pietätlos, diesen Hohepriester von Stadt zu Stadt zu schleppen und ihn neugierigen Leuten zu zeigen. Wie ist es überhaupt möglich, daß er so viele Jahrhunderte überdauert hat?«
    »Sein Leichnam wurde einbalsamiert. Nach der Entfernung der Eingeweide und des Gehirns wurden ursprünglich - in Ägypten, Persien, bei den Skythen - fäulniswidrige Stoffe, also Harze, Tonerde und Salze, in die Körperhöhlen gebracht, die Leiche mit Binden umwickelt und ausgetrocknet. Heute verhindert man die Verwesung durch Einspritzung von Formalin, Alaun, Gerbsäure und anderem in die Blutgefäße…«
    Sabrina schüttelte sich. »Ich möchte nicht, daß man nach meinem Tode so etwas Schreckliches mit mir macht…«
    John Calidge lachte. Er warf sein blondes Haar mit einem raschen Hochrucken des Kopfes zurück und legte seinen Arm um die Taille seiner Freundin.
    »Ich bin sicher, es besteht nicht die Gefahr, daß mit dir jemals so etwas geschehen wird, Sabsy«, sagte er liebevoll.
    Plötzlich geschah etwas Eigenartiges!
    Sabrina Kelly vernahm die Stimme ihres Freundes auf einmal wie aus weiter Ferne. Und John schien sich während des Sprechens noch weiter von ihr zu entfernen.
    Gleichzeitig schien jemand dem Mädchen einen unsichtbaren Mantel umzuhängen, der aus frostklirrender Kälte zu bestehen schien.
    Sabrina bekam die Gänsehaut. Sie hatte den Eindruck, ganz allein in diesem großen Museumssaal zu stehen.
    Sie schien allein zu sein. Allein mit Eth Al-Oman. Und sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der Hohepriester das so arrangiert hatte. Sabrina Kelly fühlte sich in seinem Bann.
    Sie fühlte, daß er wollte, daß sie ihn ansah. Es war ihr unmöglich, seinem Wunsch nicht Folge zu leisten. Ganz langsam hob sie den Kopf.
    Im nächsten Moment übersprang ihr Herz einen Schlag. Durch die grauen Bandagen starrte sie ein gelb leuchtendes Augenpaar an.
    Eine große hypnotische Kraft ging von diesem unheimlichen Blick aus. Sabrina Kelly zweifelte an ihrem Verstand. Sie fragte sich, wie es so etwas Undenkbares geben konnte.
    Gleichzeitig fragte sie sich auch, ob John dasselbe sah wie sie.
    John!
    Ob er überhaupt noch neben ihr stand? Sabrina wollte den Kopf wenden, doch die Mumie ließ es nicht zu. Das Mädchen war gezwungen, dem toten Hohepriester in die leuchtenden Augen zu sehen.
    Sabrina war zu keiner Reaktion fähig. Sie konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Die Mumie schlug sie mehr und mehr in ihren Bann.
    Da war auf einmal eine Stimme. Hohl. Rauh. Sie schien aus der Tiefe eines Grabes zu kommen. Sabrina begriff sofort, daß sie die Stimme des Hohepriesters hörte.
    Er sprach sie an. Aber er nannte nicht ihren richtigen Namen. Er nannte sie Nogorata.
    »Nogorata«, sagte er, und Sabrina Kelly wußte, daß er damit sie meinte. »Endlich begegnen wir uns wieder. Nach so langer Zeit…«
    Etwas schien Sabrina Kellys Kehle zuzuschnüren. Sie fröstelte. Sie konnte nicht verstehen, wieso Eht Al-Oman ihr einen anderen Namen gab.
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