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Wenn Frauen zu sehr lieben

Wenn Frauen zu sehr lieben

Titel: Wenn Frauen zu sehr lieben
Autoren: Robin Norwood
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die Worte eines anderen Therapeuten ein: Hungrige Leute sind unkritische Käufer. Total ausgehungert nach Liebe und Anerkennung, zudem gewöhnt an Zurückweisung, ohne sie jedoch beim Namen nennen zu können – unter diesen Bedingungen war es Jill geradezu vorherbestimmt, einen Mann wie Paul zu finden.
    Sie erzählte: «Wir haben uns in einer Bar kennengelernt. Ich war gerade im Waschsalon gewesen, und während meine Sachen im Trockner lagen, ging ich nebenan einen Schluck trinken. Die Bar war übrigens ziemlich heruntergekommen. Paul spielte dort Billard und forderte mich gleich auf, mitzumachen. Ich sagte ja, und so fing alles an. Er fragte mich, ob wir uns nicht mal treffen könnten. Ich sagte nein, ich treffe mich nicht mit Männern, die ich in einer Bar kennenlerne. Und dann ging er mir einfach hinterher, in den Waschsalon, und redete unentwegt auf mich ein. Schließlich gab ich ihm meine Telefonnummer, und am nächsten Abend gingen wir zusammen aus.
    Was dann geschah, werden Sie kaum glauben: Zwei Wochen später lebten wir schon zusammen. Er hatte keine Wohnung, und ich musste sowieso aus meiner ausziehen, also haben wir uns gemeinsam was gesucht. Eigentlich war es gar nicht besonders gut mit ihm, weder sexuell noch im Zusammenleben überhaupt. Aber nach einem Jahr machte sich meine Mutter allmählich Sorgen über das, was ich dort tat, und so haben wir eben geheiratet.» Wieder schüttelte sie den Kopf.
    Obwohl es zwischen ihnen so zwanglos begonnen hatte, richtete sie ihr Leben bereits nach kurzer Zeit völlig nach ihm aus. Weil Jill schon seit ihrer Kindheit all das, was nicht in Ordnung war, in Ordnung bringen wollte, übertrug sie dieses Denk- und Verhaltensmuster auch auf ihre Ehe.
    «Ich habe mir so viel Mühe gegeben. Ich will damit sagen: Ich hab ihn wirklich geliebt und war fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass er mich auch liebt. Ich wollte die perfekte Ehefrau werden. Ich kochte und putzte wie eine Wahnsinnige, und gleichzeitig versuchte ich auch noch, mein Studium fortzusetzen. Einen Großteil der Zeit arbeitete er überhaupt nicht. Er hing einfach nur rum oder verschwand – manchmal tagelang. Dieses Warten und Grübeln, es war die Hölle. Aber ich lernte, ihn nicht zu fragen, wo er gewesen war, weil …» Sie zögerte und rutschte nervös auf dem Stuhl hin und her.
    «Das zuzugeben, fällt mir echt schwer. Ich war mir so sicher, dass ich alles hinkriegen würde, wenn ich mir nur genug Mühe gab, aber manchmal war er einfach zu lange weg, das machte mich wütend, und dann hat er mich geschlagen. Darüber habe ich noch nie mit jemandem gesprochen. Ich schämte mich doch so sehr. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass mir das wirklich passierte, verstehen Sie? Dass ich zu den Frauen gehören sollte, die sich schlagen lassen.»
    Jills Ehe war zu Ende, als ihr Mann auf einer seiner ausgedehnten «Touren» eine andere Frau kennenlernte. Obwohl die Ehe unerträglich geworden war, brach Jill zusammen, als Paul sie verließ.
    «Ich wusste nur eins: Ganz gleich, was diese Frau an sich hatte, es war all das, was ich nicht hatte. Ich konnte mir genau vorstellen, weshalb mich Paul verließ. Ich bekam das Gefühl, ich hätte überhaupt nichts zu bieten – weder ihm noch irgendjemandem sonst. Ich gab ihm nicht die Schuld dafür, dass er mich verließ. Schließlich konnte ich mich ja selbst kaum ertragen.»
    Ein Großteil meiner Arbeit mit Jill bestand darin, dass ich ihr half, den Verlauf ihrer Krankheit zu verstehen, die ihr Leben so lange beherrscht hatte: ihre Abhängigkeit von zum Scheitern verurteilten Beziehungen mit Männern, die emotional nicht zugänglich waren. Der Suchtaspekt von Jills Verhalten in Beziehungen lässt sich mit dem suchthaften Gebrauch einer Droge vergleichen. In jeder ihrer Beziehungen gab es ein anfängliches Hoch, ein Gefühl von Euphorie und Erregung. In dieser ersten Phase glaubte sie jedes Mal, dass ihre geheimsten Bedürfnisse nach Liebe, Aufmerksamkeit und emotionaler Sicherheit endlich befriedigt werden könnten. In diesem Glauben wurde Jill allmählich abhängig von Partner und Beziehung, weil sie auf dieses Hochgefühl nicht verzichten konnte. Wie ein Süchtiger, der immer mehr von einer Droge konsumieren muss, weil sie immer weniger Wirkung zeigte, begann auch Jill mit der Zeit, sich immer mehr in die Beziehung zu stürzen, während sie ihr gleichzeitig immer weniger Befriedigung und Erfüllung gab. Bei dem Versuch, das aufrechtzuerhalten, was sie einmal
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