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Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Titel: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie
Autoren: Lauren Oliver
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sie kapiert, dass ich nicht schon die ganze Zeit auf der Party war –, dann kommt sie zu mir und legt mir den Arm um die Schultern. »Hiermit ist die Party offiziell eröffnet. Al, gib Sam einen Schluck.«
    Â»Nein, danke.« Ich lehne die Flasche ab, die sie mir anbietet, dann klappe ich das Handy auf. Halb zwölf. Ȁh, ich glaube, ich geh mal ein bisschen runter. Vielleicht sogar raus. Hier oben ist es echt heiß.«
    Lindsay und Ally wechseln einen Blick.
    Â»Du warst doch gerade erst draußen«, sagt Lindsay. »Du bist doch eben erst gekommen. Vor ungefähr fünf Sekunden.«
    Â»Ich such schon eine ganze Weile nach euch.« Ich weiß, das klingt nicht sehr überzeugend, aber ich weiß auch, dass ich es nicht erklären kann.
    Lindsay verschränkt die Arme. »Nee, echt nicht. Irgendwas ist los mit dir und du sagst uns jetzt sofort, was es ist.«
    Â»Du benimmst dich schon den ganzen Tag so komisch.« Ally wackelt mit dem Kopf.
    Â»Hat Lindsay dir gesagt, du sollst das sagen?«, frage ich.
    Â»Wer benimmt sich komisch?« Elody ist gerade rübergekommen.
    Â»Ich offenbar«, sage ich.
    Â»O ja.« Elody nickt. »Allerdings.«
    Â»Lindsay hat mir gar nichts gesagt.« Ally streckt beleidigt die Brust raus. »Das ist ja wohl offensichtlich.«
    Â»Wir sind deine besten Freundinnen«, sagt Lindsay. »Wir kennen dich halt.«
    Ich presse mir die Finger an die Schläfen, um zu versuchen, die hämmernde Musik auszusperren, und schließe die Augen. Als ich sie wieder öffne, starren mich Elody, Ally und Lindsay misstrauisch an.
    Â»Mir geht’s gut, okay?« Ich will jetzt unbedingt eine lange Diskussion – oder noch schlimmer, einen Streit – vermeiden. »Vertraut mir. Ich hatte nur eine komische Woche.« Die Untertreibung des Jahres.
    Â»Wir machen uns Sorgen um dich, Sam«, sagt Lindsay. »Du benimmst dich nicht wie du selbst.«
    Â»Vielleicht ist das ja was Gutes«, sage ich und als sie mich verständnislos ansehen, seufze ich und beuge mich vor, um sie alle drei zu umarmen.
    Elody quiekt und kichert. »Du stehst wohl auf öffentliche Liebesbekundungen, was?« Lindsay und Ally werden auch wieder lockerer.
    Â»Ich verspreche euch, es ist nichts«, sage ich, was nicht so ganz der Wahrheit entspricht, aber ich nehme an, es ist das Beste, was ich sagen kann. »Für immer beste Freundinnen, stimmt’s?«
    Â»Und keine Geheimnisse.« Lindsay sieht mich durchdringend an.
    Â»Und kein Scheiß«, trötet Elody, was eigentlich nicht zu unserem Spruch gehört, aber was soll’s. An sich müsste sie sagen: »Und keine Lügen«, aber wahrscheinlich passt eins so gut wie das andere.
    Â»Für immer«, schließt Ally, »und bis der Tod uns scheidet.«
    Mit dem letzten Teil bin ich dran: »Und sogar darüber hinaus.«
    Â»Und sogar darüber hinaus«, wiederholen alle drei.
    Â»Also dann, genug Schnulzenscheiß.« Lindsay macht sich los. »Ich persönlich bin hergekommen, um mich zu betrinken.«
    Â»Ich dachte, du wirst nie betrunken«, sagt Ally.
    Â»Das ist so eine Redewendung.«
    Ally und Lindsay verstricken sich in einen Dialog, wobei Ally mit der Wodkaflasche in der Hand herumtänzelt (»Wenn du eh nicht betrunken wirst, bringt es schließlich nichts, dass du was trinkst, das ist doch die reinste Verschwendung«), während Elody zurück zu Brownie geht. Wenigstens kümmert sich jetzt keiner mehr um mich.
    Â»Bis später«, sage ich laut in ihre Richtung und Elody wirft mir einen Blick über die Schulter zu, könnte jedoch genauso gut jemand anders angucken. Lindsay winkt mir kurz zu und Ally hört mich gar nicht. Das erinnert mich daran, wie ich heute Morgen unser Haus zum letzten Mal verlassen habe, wie es letzten Endes unmöglich ist, das Endgültige bestimmter Dinge, bestimmter Worte, bestimmter Augenblicke zu verstehen. Als ich mich abwende, verschwimmt es vor meinen Augen und ich stelle überrascht fest, dass ich weine. Die Tränen kommen ohne Warnung. Ich blinzele wiederholt, bis die Welt wieder scharf wird, und wische mir die nassen Wangen ab. Dann werfe ich einen Blick auf mein Handy. Viertel vor zwölf.
    Unten stelle ich mich direkt an die Tür, um auf Juliet zu warten, was ein bisschen so ist, wie wenn man versucht, sich in unruhiger See auf den Beinen zu halten. Die Leute
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