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Die Türme von Toron

Die Türme von Toron

Titel: Die Türme von Toron
Autoren: Samuel R. Delany
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1.
     
    In geschwungenen Buchstaben waren auf der 10 x 13-cm-Karte folgende Worte geprägt:
     
    An Ihre Durchlaucht, die Herzogin Petra
    Ihr seid eingeladen im Morgengrauen zum Ball
    Seiner Majestät
    König Uske
    zu Ehren der patriotischen Bemühungen der Tildon Aquarien
    »WIR HABEN EINEN FEIND JENSEITS DER BARRIERE«
     
    Zweierlei stach ihr bei dieser Einladung sofort ins Auge. Erstens, die Worte »Tildon Aquarien« waren noch ein wenig schräger in einem Schriftsatz gedruckt, der sich um eine Spur vom restlichen abhob. Zweitens, von der unteren rechten Ecke hing eine fünfundzwanzig Zentimeter lange Spirale.
    Sie löste die Übertragungsspirale und spulte sie in die Maschine. Die farbigen Pünktchen wurden auf dem Schirm zum Gesicht eines blonden jungen Mannes von kränklicher Farbe. »Ah, da bist du ja, teure Cousine«, sagte er mit lässiger Anmaßung. »Du siehst, ich füge deiner Einladung sogar eine persönliche Bitte an. Ich flehe dich an, verlasse deine winzige Insel und komm auf meine große. Du warst immer meine Lieblingsverwandte, und das Leben ist entsetzlich langweilig, seit du dich abgesondert hast. Bitte, liebste Petra, komm zu meinem Ball und hilf uns, unseren bevorstehenden Sieg zu feiern. So viel ist geschehen … So viel ist geschehen … So viel ist geschehen …«
    Die Herzogin schüttelte verärgert den Kopf und drückte heftig auf den Schaltknopf. Das Gesicht löste sich auf. »Ein Knick in der Spirale«, murmelte sie und blickte auf. »Ist Tildon nicht eine Tochtergesellschaft der Firma deines Vaters, Jon?«
    »Nein Tildon ist eine der wenigen, die noch nicht ihm gehören.«
    »Ich frage mich, wieviel Tildon gespendet hat. Mein armer Vetter glaubt doch wirklich, er könnte sich die Mittel für seinen Krieg durch Versprechungen während seiner großen Parties im Palast beschaffen.«
    »Die Gunst des Königshauses ist für manche immer noch verlockend, Petra. Deine Familie schwingt das Zepter in Toromon seit Jahrhunderten, während meine Urgroßväter – genau wie Tildons – einfache Bauern waren, die ihre Felder noch eigenhändig mit dem Pflug ackerten, oder Fische in selbstausgeworfenen Netzen in ihre Kähne zogen. Als der Rat diese Bälle beschloß, wußte er sehr wohl, was er tat.«
    Sie strich mit den Fingerspitzen über die Perlmutteinlage ihres Schreibtischs. »Wir sind ein Land voll unvereinbarer Gegensätze. Immer noch gibt es Menschen, die wie die Höhlenbewohner auf dem Festland hausen, obgleich wir Flugzeuge haben und Wissenschaftler wie deine Schwester.« Sie schüttelte den Kopf. »Erkennen denn Männer wie dein Vater, Tildon und die anderen nicht, daß in Wirklichkeit sie jetzt die Macht in Händen haben? Ich besitze genug Geld, um ein komfortables, ja aufwendiges Leben hier auf der Insel führen zu können, aber ich wäre, verglichen mit diesen Industriellen, nur zu geringen Zuwendungen für die Rüstung in der Lage – vorausgesetzt, ich wollte diesen Krieg überhaupt unterstützen.«
    Jon lächelte. »Trotzdem sonnen sie sich nicht ungern im blasierten Lächeln der Herzöge und Barone, wenn sie hohe Summen zur Verfügung stellen – vom Lächeln des Königs ganz zu schweigen!«
    Wieder blickte die Herzogin auf die Einladung. Plötzlich verzog sich ihr Gesicht. »Er läßt diese Dinger zu Tausenden drucken und setzt dann nur den Namen des nächsten Geldsacks ein, der seiner Rüstungsspende wegen geehrt werden soll. Was mich am meisten daran erbost, ist die Abgeschmacktheit des Ganzen.«
    »Aber Petra, deine Familie gilt als Vorbild für guten Geschmack. Das hat man uns anderen unser Leben lang eingetrichtert.« Die Ironie in seiner Stimme war unverkennbar.
    Sie legte die Karte auf den Schreibtisch zurück. »Das gleiche wurde auch uns beigebracht. Aber selbst während des Krieges muß es doch so etwas wie Anstand geben.«
    »Weshalb? Sie lernen allmählich, mein Vater und die anderen. Sie Fangen an, zu erkennen, wieviel Macht sie tatsächlich haben. Schließlich wird der Krieg ja für sie gekämpft. Solange ihre Erzeugnisse benötigt werden, solange die mit ihrem Leben und Toromon Unzufriedenen in den Krieg einbezogen werden können, wird jeder seinen festen Platz haben und sich wichtig fühlen. Hört der Krieg jedoch auf, bedeutet es den Sturz der königlichen Familie.«
    Ein wenig von oben herab erwiderte Petra: »Solange sie so blind sind, die Gunst des Königs zu suchen, sind sie nicht fähig, etwas so Komplexes wie Toromon zu leiten. Deshalb ließ ich Prinz Let
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