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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst
Autoren: Jana Frey
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Zimmer.
    »Hab ich schon versucht, aber sie wollen nicht mehr anschreiben«, rief Moon zurück. »Sie sagen, sie haben eine offene Rechnung von über sechzig Dollar auf Rosies Namen! Sie sagen, sie wollen wegen uns nicht in Konkurs gehen!«
    »Arschlöcher! Alles engstirnige Arschlöcher«, murmelte meine Mutter gereizt. Aber dann schien sich in der Leitung etwas zu tun, denn sie riss sich zusammen und setzte sich kerzengerade auf.
    »Liebste Cynthia, na endlich!«, säuselte sie und machte in meine Richtung eine Geste dabei, als stecke sie sich den Finger in den Hals. »Wie schön, dass ich Sie erreiche. Ich habe es auch nur etwa hundertmal läuten lassen.«
    Sie ließ sich nicht unterbrechen. »Ich brauche unbedingt und am besten noch heute einen Termin bei Dr. Bellamy …«
    Ich hörte vage Cynthias Stimme durch das Telefon.
    »Nein, es ist ganz sicher nicht wieder ein Fehlalarm. Ich habe, dank Doktor Bellamy, endlich gelernt, mich selbst einzuschätzen. Und ich fühle nun, wie ich immer weniger werde. Ich glaube, ich löse mich auf, Cynthia, ich schwöre es! Mir ist ganz eigenartig zumute …«
    »Moon? Lass uns zu Burger King gehen«, rief ich. »Ich habe noch fünfzehn Dollar.«
    »Pst, Sky! Das hier ist wichtig, lebenswichtig. Ich muss an diesem bösen Walross vorbeikommen, um heute noch Bob zu sehen. Ohne Bob bin ich aufgeschmissen. Ich brauche eine Sitzung!«, flüsterte meine Mutter und legte einen Finger auf die Lippen.
    Ich stand wütend auf.
    »Er heißt Gershon.«
    Meine Mutter sah mich fragend an.
    »Mein Abschlussballpartner. Danke, dass du nachgefragt hast!«
    Meine Mutter lächelte entschuldigend und Moon polterte die kaputte Holztreppe hinunter.
    »Kendra kommt auch«, sagte er. »Sie hat gerade eine Mail geschickt. Sie ist schon Upper Street und gleich da.«
    Kendra fuhr einen tollen, fast neuen Honda Civic, den ihre Eltern ihr zum sechzehnten Geburtstag geschenkt hatten.
    »Ich habe noch kein Kleid«, sagte ich zu Rosie.
    »Ich drehe durch und begehe Selbstmord, wenn ich nicht noch heute einen Termin beim Doc kriege!«, sagte Rosie zu Cynthia.
    »Warum haben wir eigentlich so bekloppte Eltern?«, fragte ich Moon und verließ Zimmer und Haus und Vorgarten, ohne zurückzublicken.
    »Leek ist das Arsch«, sagte Moon achselzuckend. »Rosie ist eigentlich nur zu doof, ihm endlich die Rote Karte zu zeigen und ihn final rauszuschmeißen.«
    Wir gingen den Block hinunter und warteten auf Kendras silbernen Honda.
    »Und wovon leben wir dann?«, fragte ich meinen großen, dünnen Bruder. »Ich meine, wenn Rosie Leek final rausschmeißt.«
    »Vielleicht würde sie sich einen Job suchen?«, überlegte Moon.
    »Rosie?«, rief ich verblüfft.
    »Warum nicht?«, fragte Moon und schaute mich mit einem eigenartig hoffnungsvollen Blick von der Seite an.
    »Sie kann doch nichts«, murmelte ich und fühlte mich auf einmal fies und überheblich.
    Moon blieb stehen. »Ich glaube, sie ist bloß blockiert, weil Leek sie blockiert«, sagte er schließlich.
    »Sie ist melodramatisch und scheißegoistisch und ihm sexuell hörig, weiter nichts«, schnauzte ich Moon an, obwohl ich wusste, dass ich ihn mit diesen Worten an ihrer Stelle verletzte. Moon liebte Rosie wie verrückt.
    Die Palermo Street ist von Pinien gesäumt. Jedes der Wohnhäuser, an denen wir vorübergingen, hatte eine angebaute Doppelgarage mit dem allgegenwärtigen Basketballkorb über dem Tor.
    Wie mich das alles nervte. Warum, um alles in der Welt, machten bloß jährlich Zigtausende bei diesem Run um eine US-Greencard mit? Das konnte ich nicht begreifen. Mit Kendra hatte ich neulich einen Bericht darüber im Fernsehen gesehen. Schluchzende Lotterieteilnehmer aus aller Welt, die es wieder nicht geschafft hatten, obwohl sie Jahr für Jahr dabei waren. Und dann ein paar selbstgerechte Jubler, die ausgelost worden waren: Congratulations! Eine Aufenthaltsgenehmigung für die Vereinigten Staaten! Puh, was für ein Bockmist. Warum wollten die Leute nicht lieber nach Skandinavien? Oder auf die Fidschi-Inseln? Oder zum Beispiel nach Portugal, wo Kendras Großeltern väterlicherseits herstammten? Ein schönes, kreatives Land mit lustigen Leuten.
    Kendra hatte mir eine Menge Fotos aus der Kindheit ihres Großvaters in Lissabon gezeigt. Ihre Mutter hatte uns mit missbilligender Miene dabei zugeschaut. »Ein schreckliches, schmuddeliges Land! Grässlich«, hatte sie gerufen und da hatte Kendra sofort die alten Fotografien zusammengerafft, mich am Ärmel gepackt und
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