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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst
Autoren: Jana Frey
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man sich vorstellen kann.«
    In Amerika arbeitete Esther zuerst als Näherin und später wurde sie Lehrerin. Bis sie über sechzig war, unterrichtete sie an einer jüdischen Grammar School in East Los Angeles. Sarah blieb ihr einziges Kind.
    Pünktlich um vier Uhr hörten wir Davids Hausschlüssel im Türschloss. Meine Mutter und mein kleiner Bruder Jonathan waren ebenfalls vor einer Weile zurückgekommen und werkelten geheimnisvoll in der Garage herum. Mein Vater schloss eben seine Werkstatt.
    Esther war in ihrem Schaukelstuhl eingeschlafen. Sharoni hatte sie mit einer Wolldecke zugedeckt und behutsam den Fernseher ausgeschaltet.
    »Gabriel kennst du ja«, sagte ich zu Shar, als David und seine zwei Freunde hereinkamen, und nickte ihm zu.
    »Hi, Hannah, hi, Shar«, sagte David und zog seine Schuhe aus.
    »Und das ist Ezra.«
    Ich deutete auf den langen, dünnen Kinderfreund meines großen Bruders. Er grinste uns zu und hob grüßend die Hand.
    Meine Eltern kamen herein und begrüßten David und seine Freunde ebenfalls.
    »Hi, Ima«, sagte David und küsste unsere Mutter auf die Wange. »Hallo, Abba.«
    Wir setzten uns zu Tisch.
    »Kommst du auch, Bubba?«, fragte meine Mutter Esther, die wieder wach war, mit nachdenklicher Miene in ihrem Schaukelstuhl saß und die Rückseitencover ihrer neuen DVDs studierte. Aber Esther wollte nicht.
    »Ich schaue, wenn’s recht ist, von hier aus zu«, antwortete sie knapp. »Masel tow zu deinem Geburtstag, mein Junge.«
    Für einen Moment lächelte sie David zu. Als wir klein waren, hatte sie auch für uns viele Lieder gesungen. Sie kannte mehr Lieder als der Rest der Familie zusammen.
    »Danke, Esther«, rief David von seinem Platz aus.
    »Lechaim, mein Großer«, sagte unser Vater, als wir feierlich auf Davids Wohl anstießen.
    Zuerst gab es die üblichen Geburtstags- Kniche s, die unsere Mutter heute Morgen in aller Frühe vorbereitet hatte. Dann holten Sharoni und ich Davids Geburtstagsmenü aus der Küche.
    »Ist das denn auch wirklich koscher?«, erkundigte sich David mit gespielt besorgter Miene.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte ich betrübt. »Daran haben wir nicht gedacht. Es ist Schneckeneintopf, Dave. Schnecken in Milch gekocht, wie du es gerne hast!«
    Alle lachten.
    »Freches, unverschämtes Palindrom, du«, sagte David zu mir und stieß mich in die Seite.
    »Freches – was?«, fragte Jonathan verwundert.
    »Palindrom«, wiederholte David. »Unsere Schwester Hannah ist eins. So wie Anna. Und Otto.«
    Jonathan machte ein verwirrtes Gesicht.
    »Worte, die du von vorne und von hinten lesen kannst«, erklärte David und zerzauste Jonis Haare. »H-A-N-N-A-H. Und rückwärts gelesen bleibt es dasselbe: H-A-N-N-A-H. Kapiert?«
    »Es funktionieren auch ganze Sätze«, fügte David grinsend hinzu. »Pass auf: Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie.«
    »Und: Leg in eine so helle Hose nie’n Igel!« David prustete wieder los.
    »Es geht noch besser: Eine Hure ruhe nie!«, rief Ezra.
    Meine Mutter machte ein strenges Gesicht.
    »Entschuldige, Delia«, sagte Ezra sofort zerknirscht.
    »Schon gut«, sagte meine Mutter, die immer darauf bedacht ist, dass Jonathan nicht zu viele derbe Späße mitbekam.
    »Und, schmeckt es?«, fragte ich, als endlich alle zu essen begonnen hatten.
    »Ja, Palindrom, sehr lecker«, sagte David anerkennend. »Habt ihr gut gemacht, ihr beiden.« Er lächelte Sharoni zu.
    »Hmmm. Sehr Orgasmus«, sagte Ezra.
    »Was sagst du da?«, fragte David, so, als könne er kein Wässerchen trüben.
    Ezra zog den Kopf ein und schaute zerknirscht zu meiner Mutter hinüber. »Sorry, ist mir nur so rausgerutscht. – Ich meinte: sehr lecker. Wir sagen das an unserer Schule immer so. Ist ein Running Gag.«
    Mein Vater begann, schallend zu lachen. »Das muss ich mir merken«, prustete er kauend und wischte sich den Mund an seiner Serviette ab. »Sehr Orgasmus! Muss ich unbedingt mal irgendwo anbringen. Ich freu mich jetzt schon auf die Gesichter der anderen. – Danke, Ezra, danke!« Er lachte wieder.
    »Gern geschehen, Mo.« Ezra grinste schief, aber sein Blick blieb besorgt und entspannte sich erst, als er sah, dass auch meine Mutter lächelte.
    Der Taufname meines Vaters lautet Moshe, aber alle seine Freunde und Bekannten nennen ihn Mo.
    »Morgen habe ich Geburtstag«, sagte Jonathan zufrieden, als meine Mutter den süßen Nachtisch auftrug.
    Wir nickten.
    »Aber morgen ist morgen und heute ist heute«, sagte mein Vater. »Und heute ist erst einmal David
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