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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst
Autoren: Jana Frey
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mehr in der Kirche als zu Hause gewesen.
    In diesem Moment klingelte mein Handy. Ich warf einen prüfenden Blick auf das Display. »Das hat mir gerade noch gefehlt«, seufzte ich. »Meine deutschen Großeltern.«
    Ich ließ das kleine Telefon klingeln beziehungsweise summen und pfeifen, denn mein mobiles Telefon hat Walgesänge als Klingelton. Moon hatte das für mich eingerichtet.
    Rosie hatte er den Song Hashish aus dem Musical Hair heruntergeladen, einen ihrer absoluten Lieblingssongs, und Leeks Telefon hatte sich eine Weile mit Moons Pupsen bemerkbar gemacht, die Moon selbst aufgenommen und dann auf Leeks Handy überspielt hatte.
    »Wie bekomme ich das wieder weg?«, hatte unser Dad entsetzt gefragt, als er begriff, was Moon getan hatte.
    Moon hatte nur mit den Achseln gezuckt und gemurmelt: »Das gilt es, jetzt selbst herauszufinden, Mr Arschloch …«, und war gegangen.
    Aber irgendwie schaffte Leek es, sich wieder von Moons Pupsen zu befreien.
    Moon hatte das überrascht und frustriert. Aber seitdem hatte er Leeks Telefon nicht mehr angerührt.
    Kendra und ich blieben noch eine Weile in der Stadt und in regelmäßigen Abständen summte mein Handy.
    »Die haben aber eine Ausdauer«, sagte Kendra kopfschüttelnd, als wir bei Victoria’s Secret waren, wo Kendra sich, um ihre Mutter in Rage zu bringen, heiße schwarze Unterwäsche kaufte.
    »So sind sie«, sagte ich. »Vor allen Dingen meine Oma. Sie ist wie ein Bullterrier. Verbissen und zäh. Sie war Lehrerin. Mir tun ihre Schüler leid. Rosie hatte wirklich keine tolle Kindheit bei ihnen. Da gibt es massenweise schreckliche Storys. Kein Wunder, dass sie sofort das Weite gesucht hat, als sie volljährig wurde.«
    Wir lachten und gingen zur Kasse, um Kendras Unterwäsche zu bezahlen. Als wir wieder in ihrem Honda saßen, sangen meine Wale erneut. Diesmal nahm ich das Gespräch an. Was hatte ich schon für eine Chance? Wenn ich mich nicht erbarmte, würde meine Großmutter Rosie anrufen und ihr die Hölle heißmachen. Und dann bekäme meine Mutter nur wieder eine Depression und das war weit schlimmer auszuhalten als ein kurzes Gespräch mit meiner blödsinnigen, bornierten Großmutter.
    »Hier ist Hamburg«, sagte meine deutsche Oma ärgerlich, als die Verbindung zustande gekommen war. »Sag mal, sitzt du auf deinen Ohren? Ich habe es schon zigmal versucht!«
    »Hallo, Oma Dorothea«, antwortete ich lahm. »Ich bin mit meiner Freundin Kendra unterwegs und …«
    »Das ist kein Grund, nicht an dein Handy zu gehen!«, wurde ich unterbrochen.
    Wir redeten natürlich Deutsch und Kendra zog eine Grimasse, weil sie kein Wort verstand. Sie hatte Spanisch und Japanisch gewählt.
    »Wie geht es Rosie?«, war die nächste Frage meiner Großmutter, Jahrgang 1950, ein echtes Geschütz an Wucht, Zorn und ab und zu durchkommender Sentimentalität. Keine angenehme und keine einfache Mischung. Wenn ich an Gott glauben würde, würde ich ihm jeden Tag dafür danken, dass sie nur meine Großmutter und nicht meine Mutter war.
    »Gut«, antwortete ich knapp.
    »Das klang neulich am Telefon aber ganz anders«, gab Oma Dorothea zurück. »Sie hörte sich scheußlich an. Jammervoll. Hoffnungslos. Mal wieder.«
    »So schlimm war es nicht«, antwortete ich ärgerlich.
    »Wie dem auch sei. Dein Großvater und ich haben ihr etwas Geld überwiesen. Kannst du ihr das ausrichten?«
    Ich sagte, dass ich das könnte.
    »Danke«, fügte ich widerwillig hinzu. Ein bisschen eigenes Geld konnte Rosie mit Sicherheit gut gebrauchen. Auch wenn sie es nicht wirklich genießen konnte, wenn sie wusste, von wem es kam.
    Warum machte sie nur nichts Eigenes aus ihrem Leben? Moon hatte recht. Leek blockierte sie. Irgendwie schien er es sogar zu genießen, dass sie so abhängig von ihm war.
    »Was ist denn nun mit deinem Vater? Hat er sie wieder betrogen?«, war die nächste Frage, die über den Ozean gerauscht kam.
    »Nicht, dass ich wüsste«, antwortete ich, runzelte die Stirn und verfluchte mich, das Gespräch überhaupt angenommen zu haben. Ich musste an Norma denken, die Studentin, deren nacktem Körper beziehungsweise dem Bild ihres nackten Körpers ich es zu verdanken hatte, dass ich jetzt ein Abschlussballkleid besaß.
    »Das ist immerhin eine positive Wendung«, hörte ich Oma Dorotheas Stimme an meinem Ohr. »Früher hat er sie ja praktisch pausenlos hintergangen.«
    Blablabla. Ich versuchte, meine Ohren auf Durchzug zu stellen, so gut es ging.
    »Sie war schon immer so labil, Sky«, hörte ich
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