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Heldenplatz (German Edition)

Heldenplatz (German Edition)

Titel: Heldenplatz (German Edition)
Autoren: Thomas Bernhard
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Erste Szene
    Großes Garderobenzimmer
    Ein hohes Fenster mit Holzjalousien
    Zwei hohe Türen links
    Eine hohe Tür rechts
    Mehrere geschlossene oder geöffnete Kleiderschränke bis zur Decke an allen Wänden
    Mehrere geschlossene Kisten und Koffer, nach Oxford adressiert
    Früher Vormittag
    HERTA steht mit einem Staubtuch am Fenster und schaut auf die Straße hinunter
    FRAU ZITTEL kommt mit einem Anzug auf einem Kleiderbügel herein und hängt ihn auf, begutachtet ihn
    Der Anzug ist nicht einmal zerrissen
    Ein kleines Loch in der Weste
    Mein Universitätsanzug hat der Professor immer gesagt
    sie riecht am Anzug, hält ihn hoch und gegen das Licht
    und hängt ihn wieder auf
    Jetzt ist alles noch viel schlimmer
    als vor fünfzig Jahren hat er gesagt
    Eigentlich hätt’ ich zur Mutter gehn müssen
    Mich graust vor dem Altersheim
    HERTA fängt an, die auf dem Boden herumliegenden
    Schuhe zu putzen
    FRAU ZITTEL  
    Entweder ich schneide ihr die Nägel
    oder ich lese ihr den Tolstoj vor
    Nur weil der Professor vor fünfzehn Jahren gesagt hat
    lesen Sie Ihrer Mutter doch Tolstoj vor
    eine sehr gute therapeutische Maßnahme
    lese ich ihr jetzt schon fünfzehn Jahre Tolstoj vor
    sie bürstet den Anzug
    Wenn ich ihr das Gebiß in den Mund stecken will
    stößt sie mich zurück
    Um mich hat sie sich nie gekümmert
    Ich will ihr das Gebiß in den Mund stecken
    und sie schlägt mir ins Gesicht
    die alten Leute sind renitent
    sie riecht am Anzug
    Zwanzig Jahre habe ich es ja ausgehalten
    hat er gesagt
    Wer weiß ob der Professor in England
    wieder Fuß gefaßt hätte
    Die Frau Professor hat Wien immer gehaßt
    nur das Theater hat sie geliebt
    Wien hat sie gehaßt
    Wenn sie jetzt nach Neuhaus geht
    ist es sicher nur auf kurz
    Die Frau Professor ist ein Stadtmensch
    Die Wohnung ist verkauft
    voreilig verkauft
    spätestens am Neunzehnten
    das ist ja schon übermorgen
    muß sie geräumt sein
    HERTA steht schuheputzend am Fenster und schaut auf die Straße hinunter
    FRAU ZITTEL  
    Der Professor ist tot
    auch wenn du noch so lang hinunterschaust
    er wird nicht mehr lebendig
    Der Selbstmord ist immer eine Kurzschlußhandlung
    Das Hemd war zerrissen der Anzug nicht
    Ausgerechnet du hast ihn gesehen
    wie er hinuntergestürzt ist
    Ich hab schon so viel Tote gesehen im Leben
    du machst mich noch ganz krank mit deinem Hinunterschauen
    Die Frau Professor hört schon wieder das Geschrei
    Zu Mittag beim Nachtmahl nicht
    Kaum hat sie ein paar Löffel Suppe gegessen
    wird sie weiß im Gesicht und ganz steif
    Steinhof hat auch nichts genützt
    In Neuhaus erholt sie sich auch nicht mehr
    Sie werden sehen Frau Zittel in Oxford wird sie
    die Anfälle nicht mehr haben
    hat der Professor gesagt
    in Oxford gibt es keinen Heldenplatz
    in Oxford ist Hitler nie gewesen
    in Oxford gibt es keine Wiener
    in Oxford schreien die Massen nicht
    HERTA  
    Die Frau Professor nimmt mich nach Neuhaus mit
    FRAU ZITTEL  
    Sie braucht dich ja
    ich hab ihr eingeredet daß sie dich braucht
    Zu Weihnachten ist sie die ganze Zeit
    im Bett liegen geblieben
    über Neujahr auch
    In Neuhaus liegt sie auch den ganzen Tag im Bett
    oder auf der Terrasse untätig
    sie liest auch immer dasselbe
    HERTA  
    Ich wollte sie ja in Steinhof besuchen
    FRAU ZITTEL  
    Mich ließ sie auch nicht hinein
    und ich hab ihr so gute Mehlspeisen gekauft
    Die Frau Professor wünscht keine Besuche
    hat es geheißen
    sie hat wieder das schöne Balkonzimmer gehabt
    Der Pavillon Friedrich ist für die depressiven feinen Leute
    die sind nicht eigentlich krank und doch
    jedesmal wenn sie in Steinhof war
    hat sie sich verkühlt
    Der Professor Schober der Primar ist ein Verwandter
    vom Professor Kuddlich
    den der Herr Professor Schuster in England kennengelernt hat
    durch den Professor Wasserbauer
    ein Onkel vom Professor Wasserbauer
    hat dem Professor Schober das Primariat in Steinhof verschafft
    HERTA  
    Die Frau Professor hat etwas gegen mich
    FRAU ZITTEL  
    Kaum hat sie ein paar Löffel Suppe gegessen
    wird sie weiß im Gesicht und steif
    Die Frau Professor ist ein einsamer Mensch
    Der Professor hat sie nie gut behandelt
    Das verzeihe ich dir nie
    daß deine Mutter Schauspielerin gewesen ist
    hat der Professor oft gesagt
    auch wenn du nichts dafür kannst
    In Neuhaus geht sie oft wochenlang nicht aus dem Haus
    Andauernd hat er zu ihr exaltierte Person gesagt
    In Linz geboren allein das ist ein fürchterlicher Gedanke
    hat er gesagt
    HERTA  
    Die Frau Professor mag mich nicht
    FRAU ZITTEL  
    Sie mag
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