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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst
Autoren: Jana Frey
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aufgeregt und stolperte über Godot hinweg, der auf meiner Türschwelle lag, in mein Zimmer.
    Ich bestätigte auch dies und Rosie sank erleichtert auf meinen mit Klamotten behängten Schreibtischstuhl.
    »Sag ihm …«, begann sie. »Sag ihm …«
    »Was soll ich ihm sagen, Mom?«, fragte ich etwas ungeduldig.
    »Sag ihm, dass ich ihn liebe«, flüsterte Rosie in ihrer speziellen Art, die Leek fesselte und festhielt, Moon liebte – und die mich oft auf die Palme brachte. »Ihn und dich, Darling.«
    »War das Rosie? Was sagt sie?«, erkundigte sich Moon am anderen Ende der Leitung.
    »Sie liebt uns«, sagte ich schnell. »Und morgen wird sie zum ersten Mal Hannah treffen, denn ich habe sie eingeladen.«
    »Wow!«, sagte Moon etwas überrumpelt.
    »Was?«, rief Rosie schrill.
    »Und Leek wird auch da sein«, fuhr ich fort. »Er und Grandpa Nat sind vor ein paar Tagen endlich aus Irland zurückgekommen. Leek und ich haben vorhin gesimst.«
    »Er wird dort natürlich reihenweise Irinnen flachgelegt haben, das ist mal sicher«, sagte Moon, aber er klang weniger aufgebracht als sonst, wenn er auf Leeks Sexualleben zu sprechen kam.
    »Möglich«, sagte ich, mehr nicht.
    »Mann sein«, fügte Moon kryptisch hinzu. »Ich habe viel drüber nachgedacht – und es ausprobiert.«
    Was immer das hieß. Ich dachte an Gershon, der zurzeit mit seinen Brüdern surfen war. Vielleicht meinte er das. Dann hatte ich das Frausein ausprobiert und es war okay, wenn auch sicherlich noch ausbaufähig.
    Wir redeten noch kurz hin und her und verabschiedeten uns dann.
    »Ich rufe dich wieder an, Sky«, versprach Moon, ehe wir auflegten.
    »Tu das, Moon«, sagte ich.
    Und am nächsten Tag kam Hannah.

40. HANNAH
    Gleich würden wir da sein, Chajm, Esther und ich. Eigentlich hatte Shar mich begleiten wollen, aber eine Spätsommergrippe war ihr dazwischengekommen.
    »Soll ich dich stattdessen hinfahren?«, bot Chajm mir an. »Ich habe zwar nur den israelischen und nicht den amerikanischen Führerschein, aber das wird hoffentlich kein Problem sein, sollten wir in eine Polizeikontrolle geraten.«
    Er lächelte mir zu und ich nickte nervös. Heute war es also so weit. Ich würde Rosie Lovell treffen, meine leibliche Mutter.
    Esther beschloss erst im allerletzten Moment, mit uns zu kommen. Sie hielt ihr mobiles Telefon in der Hand und machte ein besorgtes Gesicht.
    »Was hast du?«, fragte ich.
    »Sorgen«, sagte sie knapp.
    »Um wen? Um Sarah?«
    Esther zuckte mit den Schultern. »Um sie auch«, gestand sie fast ärgerlich.
    Ich dachte an den Streit heute früh in unserem Garten. David hatte seit drei Tagen sein Zimmer nicht verlassen, außer um ins kleine Bad zu gehen, wenn er zur Toilette musste. Anscheinend trank er dort auch Leitungswasser, denn er kam nicht in die Küche hinunter.
    »Willst du wegen der Sache vielleicht verhungern, David?«, hatte ich ein paar Mal vor seiner verriegelten Tür gefragt, aber keine Antwort erhalten. »Davon stürzt doch die Welt nicht ein«, fügte ich hinzu, aber er reagierte nicht. Ab und zu konnte ich ihn leise und wütend beten hören. Meine Eltern gaben sich dagegen betont fröhlich und ausgeglichen, aber ich bekam dennoch mit, dass sie sich um David sorgten und ein paar Mal waren bereits die Worte »Psychologe« und »Therapie« gefallen.
    Jonathan dagegen nörgelte und jammerte, weil er nicht verstand, was vor sich ging.
    »Wer ist ein Nazi?«, fragte er ein paar Mal verwirrt. »Unsere Bubbe?«
    »Nein, natürlich nicht, Schatz«, sagte meine Mutter und drückte ihn an sich.
    Mein Großvater Yitzchak besuchte weiterhin die örtlichen Synagogen und plante seinen Besuch und Vortrag im Tolerance Center in Beverly Hills.
    Und meine Großmutter, die nun eigentlich Skys Großmutter war, schwieg, nachdem sie zu Ende geweint hatte, fast drei Tage, ehe es zu diesem Streit im Garten gekommen war.
    »Wer war sie?«, fragte sie plötzlich böse und blieb wie angewurzelt vor Esther stehen.
    »Das habe ich euch doch bereits gesagt. Sie hieß Annegret – mehr weiß ich nicht.«
    »Warum hast du nur so lange geschwiegen – Mutter? Oder sollte ich das besser nicht mehr sagen? Schließlich bist du gar nicht meine Mutter.«
    »So ein Unsinn«, murmelte Esther.
    »Das ist kein Unsinn!«, schrie meine Großmutter plötzlich. »Du hast mich mein Leben lang belogen und betrogen. Du hast mir nichts als Lügen erzählt. Über meine Herkunft, über Jakob Mandelbaum, der gar nicht mein Vater war, über meine Geburt, die niemals in
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