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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod
Autoren: Harry Thürk
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Das letzte Aloha
    Ich erwachte aus meinem Kurzschlaf, als meinem Nachbarn das Essen hochkam und die Stewardeß ihm – über mich hinweg – eine dieser praktischen Tüten reichte.
    Sie murmelte etwas von zuviel Tofu im Essen, aber es lag vermutlich doch nicht an dem, was die Fluggesellschaft Essen nannte, sondern daran, daß der Pilot in den Sinkflug gegangen war, ohne Übergang, wie es diese meist in Militärmaschinen ausgebildeten Leute gelegentlich tun, wenn sie vergessen, daß sie Passagiere befördern, nicht Splitterbomben.
    Ich machte ein Gesicht, aus dem Mitgefühl ablesbar sein sollte, aber ob der Nachbar das überhaupt wahrnahm, war ungewiß, denn jetzt tränten ihm auch noch die Augen, so daß ich ebensogut schadenfroh hätte grinsen können.
    Er war wohl einer dieser Kantoner Geschäftsleute, die seltsamerweise Fliegen als unangenehm empfinden, weil sie ungeübt darin sind. Sie zogen Wasserfahrzeuge vor, wenn man der allgemeinen Meinung glauben durfte. Aber wer fährt schon mit dem Dampfer von Hongkong nach Honolulu, heute, in der Überschallzeit?
    Â»Hätte Ihnen auf dem Schiff auch passieren können«, versuchte ich ihn zu trösten. Er nickte nur schwach, und die Stewardeß sah mich so strafend an, daß ich froh war, als sie endlich mit der vollen Tüte abschwirrte. Etwas, worüber ich mich bei Stewardessen ziemlich selten freue.
    Bobby Hsiang, der alte Freund, der immer noch in Hongkongs Polizei für Schwerverbrechen zuständig ist, hatte mich um die Reise beneidet, als ich ihm erzählte, daß ich einem Auftrag entgegenflog. Insgeheim glaube ich, er liebt das Essen bei solchen Flügen, im Gegensatz offenbar zu meinem Nachbarn. Das mochte daran liegen, daß Bobby schon seit der Zeit, als wir beide noch als Polizisten Hongkonger Pflaster begangen hatten, solo lebte. Als Single, wie man in der gebildeten Welt zu sagen pflegt. Weiblos. Kinderlos, soweit bekannt. Küchenlos auch. Angewiesen auf das, was Hongkongs Police Department in seiner Kantine aufbietet, um die Mitarbeiter vor Magenknurren zu bewahren. Oder was jemand mal spendiert.
    Bobby hatte mich vor der letzten Etappe des Fluges und den hier herrschenden Turbulenzen gewarnt. Er hatte sie vor ein paar Monaten erlebt, als er zu einer Konferenz von Kriminalbeamten nach Honolulu flog. Die Turbulenzen waren ausgeblieben. Dafür übte der Pilot jetzt den Sturzflug. Ich hatte Bobby damals ausgelacht: »Du sprichst immerhin mit dem Sohn eines amerikanischen Marinefliegers!«
    Aber er war skeptisch geblieben, was meine väterliche Erbmasse betraf. Hatte mich aufmerksam gemacht: »Ich weiß ja, daß du beim Fliegen kaum Probleme hast, aber du wirst es merken, es ist wie verhext – je näher man der Datumsgrenze kommt, desto unruhiger wird die Luft. Was suchst du eigentlich in Honolulu? Die haben dort ihre eigenen Privatdetektive ...«
    Das hatte uns, alte Freunde, die wir waren, auf eine Jugendgefährtin gebracht, mit der zusammen wir so manche Melone gestohlen und gegessen hatten, in den heißen Sommern, als unten in Vietnam der Krieg so richtig begann, und die GI’s, die in meiner Mutter respektablem Restaurant in Wanchai Erholung suchten, uns Knirpsen so manchen Dollar zuwarfen, wenn wir ihnen die Adressen von hilfsbereiten Mädchen besorgten, die billiger waren als das, was man sonst so in Wanchais einschlägigen Quartieren auflesen konnte. Abgesehen davon, daß wir von ihnen für die Vermittlung natürlich auch noch Münze bezogen. Später, als der Krieg härter wurde und die GI’s höhere Löhnung bekamen, lief das Geschäft weniger gut, weil sie nicht mehr so auf den Dollar achteten, aber da hatten wir schon andere Interessen.
    Â»Erinnerst du dich an Laureen Tsiao?«
    Bobby erinnerte sich, natürlich. Wir waren alle drei nur mütterlicherseits Chinesen. Die Väter kamen aus anderen Weltgegenden, sie waren dem mandeläugigen Charme unserer Mütter erlegen, wie das Fremden in diesem Teil Asiens öfters geht.
    Wer an Laureens Existenz eigentlich schuld war, hatten wir nie genau untersucht. Es hatte uns nicht sonderlich interessiert. Möglicherweise war er als Soldat irgendwo gefallen. Laureens Mutter ließ sich darüber nicht aus, wozu auch. Bis wir dann aus dem Halbwüchsigenalter heraus waren, und Laureen, zur Dame gereift, zog mit diesem Musiker los, der im »Nan Hu« Saxophon spielte; mit
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