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Wenn der Wind dich ruft

Wenn der Wind dich ruft

Titel: Wenn der Wind dich ruft
Autoren: Teresa Medeiros
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Verweis auf den Lieblingsschneider des Königs. »Das wird mich wenigstens fünf Pfund kosten.«
    Cuthbert zog langsam seine Hand weg, da ihm das warnende Glitzern in den dunklen Augen seines Freundes keine andere Wahl ließ.
    Julian fasste ihn freundschaftlich am Arm, und ein Lächeln ließ seine Züge weicher erscheinen. »Komm, Cubby, mein Freund, meine Zehen sind fast erfroren. Warum besorgen wir uns zum Frühstück nicht ein paar Flaschen schönen wärmenden Portwein?«
    Als er sich umdrehte und über die schneebedeckte Wiese zu schlendern begann, schaute Cuthbert ihm nach, zweifelte an seinen Sinnen. Er hätte schwören können ...
    Plötzlich erstarrte Julian und drehte sich mit zusammengekniffenen Augen herum. Er richtete seinen durchdringenden Blick auf eine uralte Eibe, die mit ihren knorrigen schneebedeckten Zweigen ein paar Schritte entfernt am Rand der Wiese stand. Seine elegant geformten Nasenflügel bebten, blähten sich, als hätte er etwas besonders Betörendes gerochen. Er zog die Lippen zurück, und einen Moment lang war etwas beinahe Animalisches, Wildes in seiner Miene, etwas, das Cuthbert unwillkürlich einen Schritt zurückweichen ließ.
    »Was ist?«, flüsterte Cuthbert. »Ist der Marquis zurückgekommen, um uns endgültig zu erledigen?«
    Julian zögerte kurz, dann schüttelte er den Kopf, und das raubtierhafte Glimmen verblasste in seinen Augen. »Nichts, denke ich. Nur ein Geist aus meiner Vergangenheit.«
    Mit einem letzten Blick zu der Eibe ging er weiter über die Wiese. Als Cuthbert ihm folgte, stimmte Julian das Lied »Maid, ich muss dich lassen« mit einem so reinen Bariton an, dass er Engel Tränen des Neides hätte entlocken können.
    Die Frau, die hinter der alten Eibe kauerte, ließ sich erleichtert und mit weichen Knien gegen den dicken Stamm sinken. Die Töne des Liedes verklangen allmählich, bis sie mit dem leisen Gemurmel der fallenden Schneeflocken und dem unregelmäßigen Pochen ihres Herzens alleine war. Sie hätte nicht sagen können, ob ihr Herz vor Schreck oder Aufregung schneller schlug. Sie wusste nur, dass sie sich in den vergangenen fast sechs Jahren nicht ein einziges Mal so lebendig gefühlt hatte.
    Beim ersten Morgengrauen hatte sie sich aus dem Haus geschlichen und den Droschkenkutscher angewiesen, dem Marquis samt seinem Gefolge zum Park nachzufahren, hin- und hergerissen zwischen der Hoffnung, dass die Gerüchte Recht hatten, und dem Wunsch, dass sie nicht stimmten. Aber es war nur ein verstohlener Blick um den Stamm herum nötig gewesen, und schon war sie wieder eine unschuldige Siebzehnjährige in den Fängen einer typischen Backfischschwärmerei.
    Sie hatte jeden Schritt der Duellanten mitgezählt, als zählte sie die letzten Augenblicke ihres eigenen Lebens. Als der Marquis sich umdrehte, die Pistole im Anschlag, war ihre ganze Selbstbeherrschung nötig gewesen, damit sie nicht hinter dem Baum hervortrat und eine Warnung rief. Als der Schuss gefallen war und sie zugesehen hatte, wie der Gegner des Marquis zu Boden sank, hatte sie sich an die Brust gefasst, war sicher, dass ihr Herz aufgehört hatte zu schlagen.
    Aber es hatte in der Sekunde wieder zu schlagen begonnen, als er sich aufsetzte und sich die dunklen Locken aus dem Gesicht schüttelte. Trunken vor Erleichterung hatte sie vergessen, in welcher Gefahr sie sich befand, bis es fast zu spät gewesen war.
    Sie hatte ihm nachgesehen, das Herz in den Augen, als er plötzlich stehen geblieben war und sich umgedreht hatte, sein Körper gespannt mit der sehnigen Anmut, an die sie sich noch zu gut erinnerte.
    Sie hatte sich hinter den Baum geduckt, den Atem angehalten. Selbst im Schutz des mächtigen Eibenstammes konnte sie seinen Blick spüren. Mühelos durchdrang er ihre Schutzmauern, und seine suchende Zärtlichkeit ließ sie seltsam verwundbar zurück, wie nach dem Kuss, den er ihr bei ihrem letzten Zusammensein auf die Stirn gehaucht hatte. Mit fest zusammengekniffenen Augen hatte sie mit einer Hand das Samthalsband berührt, das ihren schlanken Hals umschloss.
    Dann war er fort gewesen, seine Stimme verblasste zu einem Echo, dann einer Erinnerung. Sie trat hinter dem Baum vor. Dicke weiche Schneeflocken sanken wirbelnd aus dem Himmel herab, füllten die Fußspuren auf der Wiese und die Stelle, wo er gelegen hatte. Bald schon wäre jedes Zeichen verschwunden, dass dieses unheilvolle Duell jemals stattgefunden hätte.
    Beinahe bemitleidete sie seinen Gefährten mit dem sandfarbenen Haar wegen seiner
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