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Wenn der Wind dich ruft

Wenn der Wind dich ruft

Titel: Wenn der Wind dich ruft
Autoren: Teresa Medeiros
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hast, da gab es einen entscheidenden Unterschied. Und Julian ist vielleicht gar nicht mehr der Vampir, an den du dich erinnerst. Er ist beinahe sechs Jahre fort gewesen, und wir haben seit drei Jahren nichts mehr von ihm gehört. Keinen Brief, keine Nachricht, kein Wort! Er hat noch nicht einmal geschrieben, als wir ihn von Eloisas Geburt unterrichtet haben.« Caroline warf dem kleinen Mädchen mit den rosigen Wangen und den honigblonden Haaren, das mit Begeisterung auf einer der Goldtroddeln des Sofas kaute, einen liebevollen Blick zu. »Und er hat sich auch nicht gemeldet, als Adrian ihm geschrieben hat, dass ihre Mutter in Italien schließlich ihrer Schwindsucht erlegen ist. Er und Adrian standen sich einmal so nahe, wie es bei Brüdern nur sein kann. Warum sollte er alle Verbindungen zu uns durchtrennen, wenn er sich nicht entschieden hätte, die Suche nach seiner Seele aufzugeben?«
    »Ich weiß es nicht«, gestand Portia. »Aber der einzige Weg, das herauszufinden ist, ihn zu fragen.«
    »Und warum sollte er dir das anvertrauen?«, fragte Adrian und hob eine Augenbraue. »Weil er immer schon ein Auge für hübsche junge Mädchen hatte? Weil in ihm noch ein kleiner Rest Sentimentalität ist, nachdem er jahrelang als Ungeheuer gelebt hat? Ein kleiner Rest Menschlichkeit?«
    Portia antwortete nicht. Es gab keine Worte, um das Band zu erklären, das sie seit den Ereignissen in der Gruft an ihrem Herzen ziehen spürte. Selbst wenn sie dennoch welche fände, wusste sie doch, dass sie ihr nur vorhalten würden, sie klammere sich an die erste romantische Schwärmerei eines jungen Mädchens.
    Adrian kniete sich vor ihren Stuhl, sodass sein Gesicht in Augenhöhe mit ihrem war. Portias Eltern waren bei einem Kutschenunfall umgekommen, als sie erst neun Jahre alt gewesen war. Nachdem er Caroline geheiratet hatte, hatte Adrian sie willig in seinem Hause aufgenommen und nicht ein einziges Mal vorgeschlagen, sie zu einem ihrer entfernten Verwandten wie ihrem grässlichen Cousin Cecil oder ihrer affektierten Tante Marietta abzuschieben.
    Er nahm ihre beiden Hände in seine, und seine grün-blauen Augen verdunkelten sich sorgenvoll. »Ich bin nicht völlig blind. Ich weiß, seit Jahren sammelst du Waffen und trainierst heimlich, um mir bei der Jagd auf Vampire zu helfen. Aber das hier ist nicht dein Kampf, Kind, sondern meiner.«
    Sie entzog ihm ihre Hände. »Ich bin beinahe dreiundzwanzig, Adrian. Ich bin nicht länger ein Kind.«
    »Dann ist es vielleicht an der Zeit, dass du Vernunft annimmst und dich nicht länger wie eines benimmst.«
    Portia hätte Schreien seinem nun vernünftigen und beherrschten Ton bei weitem vorgezogen. Sie erhob sich, richtete sich zu ihrer vollen Größe von einem Meter fünfundfünfzig auf und wünschte sich, sie hätte einen ihrer aufwändig verzierten Hüte auf, um größer zu erscheinen. »Nun gut«, sagte sie kühl. »Wenn ich aufhören soll, mich wie ein Kind aufzuführen, dann brauche ich wohl auch nicht länger deine Erlaubnis einzuholen, wenn ich deinen Bruder besuchen möchte.«
    Adrian fasste sie behutsam an den Schultern. Das Flehen in seiner Stimme war viel schlimmer als sein Gebrüll von vorhin. »Hast du vergessen, dass in den vergangenen vierzehn Tagen vier Frauen gestorben sind? Dass das Blut aus ihren Körpern bis auf den letzten Tropfen ausgesaugt war und dass sie danach einfach in den Hintergassen von Charing Cross und Whitechapel liegen gelassen wurden? Ich habe die letzten fünf Jahre damit verbracht, beinahe jeden Vampir aus der Stadt zu vertreiben. Glaubst du allen Ernstes, es ist bloßer Zufall, dass diese Morde begannen, nachdem Gerüchte aufkamen, Julian sei nach London zurückgekehrt?«
    Sie erwiderte seinen Blick geradeaus. »Glaubst du allen Ernstes, dass dein eigener Bruder dazu in der Lage wäre, solche scheußlichen Verbrechen zu begehen?«
    Adrian ließ seine Hände sinken, ballte sie hilflos zu Fäusten. »Ich weiß nicht länger, wozu er imstande sein könnte. Ich kenne ihn überhaupt nicht mehr. Aber er ist mein Bruder. Und es ist meine Verantwortung. Wenn irgendjemand ihn wegen dieser Morde zur Rede stellt, dann werde ich es sein.« Er tauschte erneut einen Blick mit Caroline. »Ich gehe gleich morgen früh.«
    »Am Morgen?«, wiederholte Portia. »Während er schläft? Wenn er am schwächsten und verletzlichsten ist?«
    Caroline seufzte leise, aber Portia schien nicht aufhören zu können.
    »Ich weiß genau , was geschieht, wenn du am Morgen zu Vampiren
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