Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn der Wind dich ruft

Wenn der Wind dich ruft

Titel: Wenn der Wind dich ruft
Autoren: Teresa Medeiros
Vom Netzwerk:
Aufwartung zu machen und ihr meine aufrichtigen Glückwünsche zu überbringen.«
    »Ich bezweifle, dass Sie die Gelegenheit haben werden. Sie wird vermutlich viel eher Ihrem Freund hier ihr Beileid ausdrücken.« Wallingford zog seine Lederhandschuhe aus und schlug sich damit in die offene Hand, fast so, wie er damit Julian beim gestrigen Supper auf die Wange geschlagen hatte. »Lassen Sie uns anfangen. Sie haben schon genug unser aller Zeit verschwendet.«
    Cuthbert setzte zu einem empörten Protest an, aber Julian unterbrach ihn. »Ich glaube, der Herr hat Recht. Ich habe tatsächlich genug Zeit vergeudet.«
    Der Gelegenheit weiterer Einsprüche beraubt, holte Cuthbert die Schachtel und machte sich an der Schnalle zu schaffen. Der Deckel sprang auf, und ein Paar schimmernder Duellpistolen kam zum Vorschein. Als er nach einer der Waffen griff, begann seine Hand zu zittern, ohne dass es mit der bitteren Kälte zu tun hatte.
    Julian legte seine Hand über die seines Freundes und sagte leise: »Dazu besteht kein Grund. Ich habe sie selbst schon überprüft.«
    »Aber ich muss doch die Ladung kontrollieren. Als dein Sekundant ist es meine Pflicht ...«
    Julian schüttelte den Kopf und entwand ihm vorsichtig die Pistole. Als ihre Blicke sich trafen, entdeckte Cuthbert flüchtig etwas in den Augen seines Freundes — eine seltsame Resignation, bei der sich ihm die Kehle zuschnürte. Aber Julian vertrieb seine Besorgnis rasch mit einem übermütigen Zwinkern, ehe Cuthbert sich davon überzeugen konnte, ob es bloß Einbildung gewesen war, verursacht durch zu viel Alkohol und zu wenig Schlaf.
    Später konnte er sich nur an einen Bruchteil der Details von der Festlegung der Regeln des Duells mit Wallingford und seinem Sekundanten erinnern. Die beiden Duellanten würden sich Rücken an Rücken aufstellen, dann zehn Schritte gehen. Die Läufe der Pistolen mussten nach oben in den Himmel zeigen, und nur ein einziger Schuss durfte abgefeuert werden. Cuthbert musterte misstrauisch die hagere Miene von Wallingfords Quacksalber. Berücksichtigte man, wie betrunken Julian war, sollte ein zweiter Schuss nicht nötig sein.
    Zu bald hatten Julian und der schlaksigere Wallingford ihre Plätze eingenommen, standen mit dem Rücken zueinander wie zwei nicht zueinander passende Buchstützen.
    »Gentlemen, sind Sie bereit?«, rief der Unparteiische, den der Marquis mitgebracht hatte. Als beide nickten, begann der Mann zu zählen. »Eins ... zwei ... drei ...«
    Cuthbert hätte am liebsten etwas unternommen, überlegte, ob er sich zwischen die beiden Männer werfen sollte. Aber die Ehre verlangte, dass er wie erstarrt im eisigen Nordwind stehen blieb.
    »... sieben ... acht ... neun ...«
    Er wusste, er war ein schrecklicher Feigling und der schlechteste Sekundant, den man sich vorstellen konnte, aber er konnte sich einfach nicht dazu überwinden, zuzusehen, wie sein Freund starb, weswegen er die Augen fest zusammenkniff.
    »Zehn!«
    Ein Pistolenschuss zerriss die winterliche Stille. Bei dem beißenden Gestank des Schwarzpulvers verzog Cuthbert die Nase, dann öffnete er langsam, vorsichtig die Augen. Seine schlimmsten Befürchtungen schienen sich bestätigt zu haben.
    Julian lag ausgestreckt im Schnee, während Wallingford etwa vierzig Schritt entfernt stand, eine rauchende Pistole in der Hand. Seine Miene zeigte derart hämische Befriedigung, dass der gewöhnlich gutmütige Cuthbert mörderische Wut durch seine Adern strömen spürte.
    Als sein Blick wieder zu der reglosen Gestalt seines Freundes zurückschweifte, brannten ihm die eiskalten Schneeflocken in den Augen. Mit gesenktem Kopf hob er eine Hand, um seinen Hut abzunehmen.
    »Verfluchte Hölle.«
    Bei dem wüsten Fluch, von der vertrauten Stimme gesprochen, riss er seinen Kopf hoch. Unglauben malte sich auf seinen Zügen und machte ihn schneller nüchtern als eine eisige Windböe.
    Als Julian sich aufsetzte und sich den Schnee aus den Augen blinzelte, verblasste Wallingfords hässliches Lächeln. Cuthbert stieß einen Freudenschrei aus und stolperte zu seinem Freund, fiel neben ihm im Schnee auf die Knie. Julians Pistole lag einen Fuß weit neben seiner Hand. Offenbar hatte er noch nicht einmal einen Schuss abgeben können. Cuthbert schüttelte den Kopf, wunderte sich über das Glück seines Freundes.
    »Ich verstehe das nicht«, erklärte der Marquis mit gepresster Stimme. »Ich hätte schwören können, ich habe genau gezielt.«
    Sein Sekundant runzelte die Stirn und wirkte ebenso
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher