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Wenn der Wind dich ruft

Wenn der Wind dich ruft

Titel: Wenn der Wind dich ruft
Autoren: Teresa Medeiros
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verflixten Hut wieder aufsetzen. Ohne den Schleier, um ihre Augen zu verbergen, war ihr Blick zu offen, zu herausfordernd, zu blau. Von dem unerklärlichen, aber nicht minder verzweifelten Wunsch getrieben, ihrer Nähe zu entfliehen, sprang er abrupt auf, sodass die Brünette von seinem Schoß rutschte und mit einem empörten Kreischen auf dem Boden landete.
    Er schwenkte den Rest des Portweins in seinem Glas, ehe er es an die Lippen setzte. »Sie können keiner meiner Gläubiger sein, meine Liebe, weil ich mich gewiss daran erinnern könnte, wenn ich jemand so Reizendes wie Sie angepumpt hätte«, erklärte er und betonte das Wort anzüglich. »Und wenn Sie keiner meiner Gläubiger sind, dann schlage ich vor, Sie treten zur Seite, denn ich schulde Ihnen nichts, rein gar nichts.«
    Damit stellte er das Glas mit Nachdruck auf den Tisch zurück, nahm die Hand der Brünetten und machte einen Schritt in Richtung der Treppe.
    »Da irren Sie sich, Mr. Kane.« Ihre Finger zitterten diesmal kein bisschen, als sie sie hob und ihr Samthalsband herunterriss, es auf den Tisch warf, als wäre es ein Spieleinsatz, der nicht zu übertrumpfen war.
    Julian erstarrte mitten in der Bewegung, blickte wie gebannt auf diesen anmutigen Hals. Einen Hals, der so sahnig und makellos sein sollte wie der Rest ihres Körpers, aber den stattdessen zwei deutlich erkennbare punktförmige Narben verunzierten.
    Als Julian seinen ungläubigen Blick hob und in Portia Cabots trotzige blaue Augen schaute, wusste er, dass seine Glückssträhne endgültig abgerissen war.

3
    Er hatte sie nicht wiedererkannt.
    Julian Kane hatte sie mit denselben glühenden, dunklen Augen angesehen, die sie in den vergangenen knapp sechs Jahren bis in ihre Träume hinein verfolgt hatten, und zeigte nicht mehr als ein kurzes Aufflackern von Interesse. Oder war es Verärgerung?
    Offenbar hatte ihre zusammen verbrachte Zeit ihm so wenig bedeutet, dass er sich kaum noch an sie erinnern konnte. Und warum sollte er auch? , dachte Portia. In den Jahren, die er weg gewesen war, hatte er vermutlich Dutzende — sie betrachtete die braunhaarige Schlampe, die immer noch seine Hand hielt, bitter — nein, Horden von anderen Frauen gehabt, die nur zu eifrig darauf warteten, ihm dabei zu helfen, die Erinnerung an sie zu vertreiben. Warum sollte er sich schließlich an ein ungeschicktes siebzehnjähriges Mädchen erinnern wollen, das ständig rot geworden war, gestammelt hatte und sich ihm praktisch an den Hals geworfen hatte, wann immer er ins Zimmer kam?
    Als der erste Schmerz verblasst war, musste Portia sich beherrschen, so wütend wurde sie. Trotz ihrer Erklärung an Adrian, sie sei nicht länger ein Kind, hätte sie am liebsten ihren schönen Hut auf den Boden geworfen, um anschließend darauf herumzutrampeln.
    »Kleines?«, flüsterte Julian, und sein Gesicht zeigte eine einigermaßen befriedigende Mischung aus Schreck und Verwirrung.
    »Nenn mich nicht so«, verlangte sie scharf, hasste den Kosenamen plötzlich. Wenn er versuchen sollte, sie in die Nase zu zwicken, würde sie ihm den Finger abbeißen.
    Entsetzt schaute sich Julian um, als würde ihm jetzt zum ersten Mal bewusst, wo sie sich befanden und wie unangemessen es für sie war, sich hier aufzuhalten. »Was, um Himmels willen, hast du in einer Spielhölle wie dieser verloren?«
    »Wo sollte ich besser den vermissten Teufel finden können?«, entgegnete sie unbeeindruckt.
    Sie begannen Publikum anzuziehen. Mehrere der schmierig aussehenden Männer kamen allmählich näher, fast, als witterten sie Blut in der Luft.
    »Wenn die junge Dame auf der Suche nach einem Spiel ist«, rief ein bulliger Kerl mit einer rotgeäderten Nase und fleischigen Pranken, »biete ich mich gerne an.«
    »Big Jim ist immer bereit«, bemerkte ein anderer und stieß den Mann neben sich in die Rippen. »So kommt es auch, dass er mit zwölf Bälgern dasteht, und nur zwei sind von seiner bedauernswerten Frau.«
    Lautes Gelächter folgte seinen Worten, aber der gehässige Unterton war nicht zu überhören. Julian ließ die Hand der Brünetten los und ging zu Portia, die leicht beunruhigt einen Schritt zurückwich.
    Es schien, als sei es ihr gelungen, seine Aufmerksamkeit zu erregen.
    Sein Gang war von gefährlicher Anmut, wie der eines Raubtieres. Ehe sie protestieren konnte, hatte er ihre Hand mit seinem unerbittlichen Griff umschlossen.
    »Au!«, rief sie und versuchte, sie ihm zu entwinden.
    »Entschuldigung«, sagte er leise, ließ sie aber nicht los.
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