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Wenn der Wind dich ruft

Wenn der Wind dich ruft

Titel: Wenn der Wind dich ruft
Autoren: Teresa Medeiros
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wonach er sich in Wahrheit sehnte.
    »Dürfte ich Sie kurz sprechen?«, fragte sie mit tiefer, melodiöser Stimme.
    Er musterte sie träge, ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Aber ehe er etwas sagen konnte, erklärte die Brünette schnippisch: »Sie müssen ihn mit >Sir< anreden! Er ist zum Ritter geschlagen, wissen'se, jawohl, vom König selbst. Ein echter Held.«
    » Mein Held«, schnurrte die Blondine und fuhr mit einer Hand unter den Kragen seines am Hals aufgeknöpften Hemdes, strich mit ihren roten Fingernägeln durch das drahtige Haar auf seiner Brust.
    Diese lieblichen Lippen verzogen sich missbilligend.
    Oder in einem anderen Gefühl, das Julian nicht sicher bestimmen konnte.
    »Nun gut, ... Sir . Ich frage mich, ob ich Sie kurz einmal sprechen könnte«, wiederholte sie und fügte in verächtlichem Ton hinzu: »Unter vier Augen.«
    Es war das verführerischste Angebot, das ihm in dieser Nacht gemacht worden war. Sie musste mehr suchen als den Nervenkitzel des Glücksspiels. Er hatte Frauen wie sie schon zuvor getroffen, in beinahe jeder Stadt auf der Welt gab es sie. Frauen, die ein ebenso unseliger Hunger umtrieb wie ihn. Frauen, die Geschöpfe wie ihn erkannten und absichtlich suchten, ohne Rücksicht auf Gefahren oder Tod, als wären sie die besten Liebhaber überhaupt.
    Im Stillen seine Skrupel verfluchend, erwiderte er: »Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht helfen, mein Fräulein. Wie Sie sehen können, ist meine Aufmerksamkeit bereits« — er ließ seine Hand von der Hüfte der Brünetten zu ihrem Schenkel gleiten— »anderweitig gebunden.«
    »Sie machen besser, dass Sie sich in Ihre feine Kutsche zurückschleichen, Mylady«, riet ihr die Brünette. »Ein großer böser Wolf wie der hier würde Sie mit einem Biss verschlingen.«
    Die goldhaarige Dirne schlang ihm die Arme um den Hals. »Er braucht eine Frau, keine feine Dame.«
    »Oder zwei Frauen«, warf die Brünette ein, womit sie ein heiseres Lachen von ihrer Freundin erntete.
    Einen weiteren Schluck von seinem Rotwein nehmend, um sein Bedauern zu lindern, wartete Julian, dass die Frau kehrt machen und in die Nacht fliehen würde.
    Stattdessen formten diese üppigen Lippen das allersüßeste Lächeln. »Ich hasse es, Sie derart faszinierender Gesellschaft zu berauben, aber ich fürchte, ich muss darauf bestehen.«
    Julian war sich überdeutlich bewusst, dass ihr Austausch allmählich mehr als beiläufiges Interesse auf sie zog. »Das hier ist kein Ort für eine Frau wie Sie. Warum gehen Sie nicht nach Hause, ehe Ihr Ehemann aufwacht und merkt, dass Sie sich aus seinem Bett davongestohlen haben?« Er wölbte eine dunkle Augenbraue, dann bedachte er sie mit seinem frostigsten Blick, unter dem schon erwachsene Männer entsetzt erstarrt waren. »Wenn Sie hierbleiben, wird Ihnen am Ende nichts als Reue bleiben. «
    Sie hob ihr Kinn, und ihr Lächeln verblasste. »Wollen Sie mir etwa drohen, Sir?«
    »Wenn Sie möchten, können Sie es als Warnung betrachten.«
    »Und wenn ich mich entschließe, der Warnung keine Beachtung zu schenken?«
    »Dann sind Sie eine verdammte kleine Närrin«, erklärte er und entschuldigte sich nicht für seine Ausdrucksweise.
    »Ich werde nicht gehen, bevor ich nicht erhalten habe, weswegen ich gekommen bin. Sie schulden es mir, und ich bin hier, die Schuld einzufordern.« Zum ersten Mal schien ihre Fassung einen Riss bekommen zu haben, denn ihre Hände zitterten, als sie sie hob und ihren Hut abnahm.
    Einen flüchtigen Moment lang war Julian dankbar, dass er ein Vampir war, denn es kostete ihn übernatürliche Anstrengung, weiter eine unbeteiligte Miene zu zeigen. Sie war ganz ohne jeden Zweifel die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Zu den üppigen zobelfarbenen Locken passten die anmutig geschwungenen Brauen und unwahrscheinlich dichte Wimpern, die Augen von der Farbe der ägäischen See um Mitternacht säumten. Die zarten Knochen ihres Gesichtes waren am Kinn schmal und weiteten sich an den Wangen. Diese Wangen waren mit einem natürlichen Rot versehen, als hätte jemand eine Rosenblüte genommen und ihre seidenweiche Haut damit bestäubt. Sie war von einer Vollkommenheit, die selbst mit dem teuersten Puder und dem besten Rouge nicht zu erzielen war. Ihre Mundwinkel waren leicht nach oben gebogen, gerade genug, dass ein Mann sich fragte, ob sie mit ihm oder über ihn lachte.
    Und Julian konnte nur daran denken, während er diesen Ausbund weiblicher Schönheit betrachtete, dass er wünschte, sie würde ihren
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