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Wenn der Wetterhahn kräht

Wenn der Wetterhahn kräht

Titel: Wenn der Wetterhahn kräht
Autoren: Charlotte MacLeod
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schon mehr als fünfzig Jahre in der Talgküche
gearbeitet. Aber wenigstens verliert er jetzt nicht mit dem Rest der Leute
seinen Job.«
    »Meinst du, Soapy Snell baut die Firma
wieder auf?«
    »Wer weiß? Kann mir nicht vorstellen,
daß der alte Kasten hoch genug versichert ist, um auch nur die Hälfte von dem
rauszukriegen, was es kosten würde, zum heutigen Preis ein neues Gebäude zu
errichten. Soapy ist das bestimmt schnurzegal. Der hat eh genug Geld. Der wird
sich lieber aus dem Geschäft zurückziehen. Mich würd’s jedenfalls nicht
wundem.«
    »Ich weiß nicht, was die Leute machen,
wenn die Fabrik nicht wiederaufgebaut wird. Vielleicht Hamburger in Fast-Food-Restaurants
verkaufen. Oder im Supermarkt arbeiten. Verdammt heikle Situation, wenn ihr
mich fragt. Mann, wenn wir je rauskriegen, wer die Kanone abgefeuert hat — «
    »Du glaubst doch nicht im Ernst, daß
die Kanone was mit dem Ausbruch des Feuers zu tun hat, oder? Mit dem alten
Kinderspielzeug könnte man doch nicht mal ‘n Loch in ‘ne Papiertüte schießen!«
    »Woher willst du das wissen? Es hat
jedenfalls einen gewaltigen Knall gegeben. Wir haben es bis bei uns zu Hause
gehört. Meine Frau und ich sind rausgelaufen, um nachzusehen, was zum Teufel
los war, und die Talgküche brannte lichterloh, als wäre ‘ne Bombe drin
eingeschlagen. So was hab’ ich im Leben noch nicht gesehen. Und ihr könnt mir
glauben, daß ich so was auch nicht noch einmal sehen möchte.«
    »Aber mit den alten Kanonen kann man
doch gar nicht so gut zielen wie mit den modernen.«
    »Was heißt denn hier gut zielen? Das
verdammte Ding steht genau gegenüber von der Talgküche und ist gerade mal sechs
Meter weit weg. Wenn Cas aus dem Fenster geschaut hat, konnte er genau in die
Mündung sehen. Er hat immer Witze darüber gemacht, daß er unter Bombardement
stand.«
    »Aber eine Kanonenkugel würde kein
Feuer verursachen, selbst wenn sie mitten in einem Kessel landen würde.«
    »Man braucht dazu gar keine Kanonenkugel.
Man könnte genausogut alte Lumpen um einen dicken Stein wickeln oder so was und
von oben auf das Pulver pressen, dann würde das Ding schon brennen, wenn es aus
der Kanone fliegt. Es würde zwar nicht sehr weit fliegen, aber das wäre ja auch
nicht nötig. Könnt ihr euch vorstellen, was ein Haufen brennender Lumpen in ‘nem
Kessel mit heißem Talg anrichten würde?«
    »Ich möchte lieber nicht dabei sein,
wenn so was passiert, das könnt ihr mir glauben.«
    »Aber wer wäre denn dumm genug, so was
zu riskieren?«
    »Immerhin war jemand dumm genug, die
Kanone abzufeuern. Daran gibt es nichts zu rütteln.«
    »Na ja, es könnte auch Zufall gewesen
sein. Vielleicht hat ein Kind bloß einen großen Knallfrosch in das Rohr
geschoben.«
    »Also, ich denke, wir kriegen das schon
ziemlich bald raus, vorausgesetzt, wir sind morgen früh überhaupt noch am
Leben. Mann, der Rauch macht mich total fertig. Ich glaube, ich geh’ wieder
zurück ins Haus.«
     
     

Kapitel 2
     
     
     
     
     
     
     
    P eter und Helen hatten inzwischen
ebenfalls genug. Auf der Heimfahrt hörten sie im Autoradio die Sondermeldungen
zuerst im Lokalsender von Clavaton und dann auch in den überregionalen
Nachrichten. Jane Austen erwartete sie bereits, höchst erbost darüber, daß man
sie so lange allein gelassen hatte, obwohl Mary Enderble da gewesen war, um ihr
eine frische Dose Katzenfutter zu servieren und tröstend die Pfote zu halten,
nachdem Helen von den Horsefalls aus angerufen hatte.
    Helen und Peter versuchten zwar, sich
zu entschuldigen, doch Jane rümpfte beim Geruch von angebranntem Seifenfett nur
angeekelt das Naschen und verließ protestierend das Zimmer, daher gingen sie
nach oben, um zu duschen und sich die Haare zu waschen. Nachdem sie den Gestank
abgespült hatten, schlüpften sie in saubere Schlafanzüge, trugen die
übelriechenden Kleidungsstücke zum Waschen oder Auslüften hinunter in den
Keller und schafften es schließlich, Jane doch noch zu überreden, ihnen vor dem
Fernseher Gesellschaft zu leisten.
    Auf dem Bildschirm Ausschnitte von dem
zu sehen, was sie eben noch hautnah miterlebt hatten, war ein ziemlich
merkwürdiges Gefühl, das jedoch nicht lange vorhielt. Alles drehte sich um
Caspar Flum, sein Tod war nun offiziell. Der Gemeinde- und Sprengel-Anzeyger
für Balaclava hatte ein wunderschönes Bild von Mr. Flum zur Verfügung
gestellt, das ihn freudestrahlend inmitten seiner Talgkessel zeigte und aus dem
Jahr 1972 stammte, als man das hundertjährige
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