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Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Titel: Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen
Autoren: Brigitte Sinhuber (Hrsg)
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Vater stöhnt: »Nei-ein.«
    »Warum nicht«, fragt Anette.
    »Weil das Christkind auch noch ne Stunde schlafen möchte. Darum.«
    Kurz vor acht schwärmt die Familie zum Anstehen aus. Der Vater steht beim Fischladen an, die Mutter beim Metzger, Peter beim Bäcker und Anette vor der Tür zum Weihnachtszimmer. Damit sie die Ankunft des Christkinds nicht verpaßt.
    8 Uhr 55. Peter holt den Weihnachtsbaum vom Balkon ins Wohnzimmer. Er schneit Nadeln auf den Teppich. Mickrig ist er auch, wer hat sich denn den andrehen lassen? »Es war ein Sonderangebot«, nuschelt der Vater und stülpt den Keller nach dem eisernen Ständer um. Und bellt Vorwürfe retour: »Wieso wird in diesem Haus nie etwas so weggeräumt, daß man es gleich wiederfindet, wenn man es braucht. Kann mir das mal einer sagen!?«
    Von 9 Uhr 30 bis 10 Uhr 14 schnitzt er am Christbaumstamm wie an einem zu groß geratenen Bleistift herum. Dann paßt er endlich ohne Schlagseite in den Ständer. Es erhebt sich die Frage, ob in diesem Jahr ein stimmungsvoller Baum mit brennenden Kerzen oder ein garantiert brandsicherer mit elektrischer Beleuchtung hergerichtet werden soll. Die Kinder entscheiden sich für einen stimmungsvollen. Zur Sicherheit wird er mit Minimax (Vorkriegsmodell), Feuerpatsche, Sandeimer und gefüllter Gießkanne umzingelt.
    Während die Mutter ihn schmückt, stellt sie fest, daß sie nicht genügend Kerzen hat. Peter wird losgeschickt. »Und bring zur Sicherheit noch ein Pfund Butter mit, Junge, hörst du?«
    11 Uhr 23. Ein Postauto hält vorm Haus. Anette sieht es vom Fenster aus. Riesenspannung: Bei wem klingelt der Postmann mit dem Paket!?
    Bei den Neumanns oben. Ach, wieso denn bei Neumanns? Die haben doch gar keine Kinder.
    Wozu brauchen alte Leute ein großes Paket?
    Bis 11 Uhr 50 ist die Mutter mit dem Aufstellen der Geschenke beschäftigt. Anettes Päckchen (eingewickelt in Vorjahrsschmuckpapier, das noch nicht allzusehr zerknittert ist) kommen auf die Kommode, Peters auf den kleinen Tisch, die Eltern teilen sich das Sofa, und die Großeltern werden auf dem Klavier beschert. Hoffentlich gefällt Oma die Bluse. Sie sagt ja nie, was sie sich wünscht, bloß immer diese falsche Bescheidenheit: »Kindchen, ich brauch‘ wirklich nichts. Das einzige, was ich mir wünsche, ist, daß ihr gesund bleibt.«
    Ich möchte mal ihr Gesicht sehen, denkt ihre Tochter, wenn sie am Heiligen Abend mit liebevoll eingewickelten Päckchen bei uns eintrifft, und es liegt auf ihrem Gabentisch nichts anderes herum als unsere Gesundheit, mit Peters Schnupfen als Dekoration.
    Kann sie nicht sagen: Ich brauche eine Kaffeemaschine und eine Schürze?
    Ein Glück wenigstens, daß Schwägerin Hilde mit einer Kollegin aus dem Büro nach Teneriffa geflogen ist. Das ist das schönste Geschenk für die Mutter: Einmal Weihnachten ohne Hilde! Wenn sie bisher anreiste, wünschte sie sich nur ein mageres Süppchen und einen Toast als Festessen, »du weißt doch, Liesl, meine Galle!« Und dann fraß sie der Familie den halben Karpfen mit Buttersoße und Sahnemeerrettich fort, und anschließend lag sie flach und hatte Koliken. Einmal Weihnachten ohne Notarzt!
    Hilde pflegt ihre Geschenke auf ihren weiten Reisen zu kaufen, denn auf Reisen sitzt ihr das Geld locker, sagt sie. So ist die Familie schon zu imitierten Schrumpfköpfen, bemalten Kokosnüssen, Muscheleulen und lila Mexikanerhüten mit Silberkordel gekommen. – Wohin mit all dem Zeug in ihrer mit gediegenen süddeutschen Bauernmöbeln eingerichteten Wohnung, in der das einzig Exotische bisher ein norddeutsches Biedermeiersofa gewesen war. Vorige Weihnachten hat der Vater von seiner Schwester Hilde zusätzlich zu einer sehr unanständigen Holzfigur aus Haiti eine von Hilde in den Landesfarben umhäkelte Klorolle erhalten mit der Ermahnung, sie sichtbar vorm Heckfenster seines Autos zu postieren. Nun mag der Vater aber umhäkeltes Toilettenpapier nicht sehr und sieht auch seinen Sinn nicht ein, denn wenn ihn in der Stadt ein unverhofftes Bedürfnis zur Schleunigkeit beflügelt, findet er auch irgendwo ein Klo, und auf seinen Fahrten über Land …
    Allein die Vorstellung, in der Eile die Rolle aus ihrer Häkelei zu fummeln, dann ab damit ins Dickicht, danach die Rolle wieder ins Gehäkelte zurück, und überhaupt ist das bisher mit Kleenex aus dem Handschuhfach so unkompliziert gewesen …
    Bei ihrem letzten Besuch im September fiel es Hilde in den ersten fünf Minuten auf: kein putziges Klorollen-Häkelhütchen vor der
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