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Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Titel: Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen
Autoren: Brigitte Sinhuber (Hrsg)
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sagte: »Das hättest du nicht tun sollen.«
    »Was hätte ich nicht tun sollen?« fragte ich.
    »Die Karte ins Vorzimmer tragen. Schließlich haben wir Weihnachten.«
    Ich stand also auf, holte die Karte wieder herein und legte sie auf meinen Nachttisch – stille Nacht, heilige Nacht. Ich legte sie auf den Nachttisch meiner Frau – stille Nacht, heilige Nacht. »Diese verfluchte Melodie!« zischte ich.
    Meine Frau setzte sich im Bett auf. »Was hast du getan?« fragte sie entsetzt.
    »Diese verflucht schöne Melodie«, korrigierte ich schnell.
    »Dein Glück«, meinte meine Frau pikiert. »Weihnachten flucht man nicht, und was das Lied anbelangt, handelt es sich schließlich um eine Weise, welche überall mit dem tiefsten Gefühl aufgenommen wird. Sogar in Japan.«
    Ich weiß nicht, wie meine Frau gerade auf Japan kam, aber ich wollte, das Billett wäre in Japan gewesen. Ich hätte es den Japanern gegönnt, als Revanche für den Wirtschaftskrieg, in den sie uns gestürzt haben. Aber ich hütete mich, etwas zu sagen. Stumm, mit offenen Augen, lagen wir da. Stille Nacht, heilige Nacht, zirpte es. »Vielleicht kann man es abstellen«, meinte meine Frau endlich zögernd.
    Schnell sprang ich aus dem Bett, besah mir das Spielwerk – man konnte es nicht abstellen. Ich bastelte daran herum – es wurde von einer Batterie betrieben. »Dann kann es doch nicht mehr lange dauern«, meinte meine Frau beruhigt, »jede Batterie ist einmal aus.« Da die meisten Batterien bloß eine Dauer von acht Stunden haben, war auch ich dieser Ansicht. Die Batterie spielte bereits seit vierzehn Stunden – also was soll‘s? Ich ging wieder zu Bett – stille Nacht, heilige Nacht. Fünfzehn Stunden. Ich wälzte mich herum – sechzehn Stunden.
    »Leg das Billett in eine Lade«, sagte meine Frau, »dann hören wir es nicht, haben es aber doch im Zimmer.« Flugs sprang ich wieder aus dem Bett, legte das Billett in eine Lade und legte mich wieder hin. Nun hörten wir nichts, konnten aber trotzdem nicht einschlafen. Es war plötzlich so still geworden. Nach einer halben Stunde sagte meine Frau: »Vielleicht sollten wir sie doch wieder –?«
    Ich hatte nur darauf gewartet. Schnell sprang ich wieder aus dem Bett, nahm das Billett aus der Lade und legte es hin – stille Nacht, heilige Nacht. Als ich für kurze Zeit einschlief, hatte ich einen beängstigenden Traum. Eine Bande von Mafiosi raubte uns das Billett und verlangte für seine Herausgabe zehn Millionen Schilling. »Lassen Sie die Polizei aus dem Spiel«, warnte uns eine Stimme am Telefon, »geben Sie die Summe in kleinen Scheinen in einen Koffer und werfen Sie ihn um zwölf Uhr nachts von der Schwedenbrücke in die Donau.« Ich weigerte mich, dem Befehl zu folgen, und nahm den Kampf mit der Bande auf. Ich folgte ihr bis Japan, in Tokio stellte ich sie, nahm ihr das Billett ab und flog nach Hause. Überglücklich nahm meine Frau es in Empfang. Auch das Billett war glücklich, wieder bei uns zu sein. Dankbar für seine Errettung aus der Gewalt der Gangster, spielte es: Stille Nacht, heilige Nacht. Ich erwachte – das elende Machwerk spielte wirklich! Nun waren es bereits zwanzig Stunden, und die verdammte Batterie zeigte kein Zeichen von Müdigkeit. Außer mir, sprang ich wieder aus dem Bett. Ich schickte mich an, das Billett zu zerreißen.
    »Untersteh dich!« rief meine Frau drohend. Sie hatte meine Absicht erraten. »Die Karte soll so lange spielen, solange es ihr gefällt.«
    Das tat sie denn auch. Sie spielte, solange es ihr gefiel. Und es gefiel ihr lang. Wir lernten, mit dem Billett zu leben. Es wurde Ostern – stille Nacht, heilige Nacht. Pfingsten – stille Nacht, heilige Nacht. Wir fuhren auf Urlaub, um dem Billett zu entfliehen – wir hätten es mitnehmen sollen. Nach der ersten Woche war uns bang um ihm. Es fehlte uns. Wo immer wir waren, sprachen wir von ihm. Wird es noch spielen? Wir brachen den Urlaub ab und fuhren nach Hause. Ungeduldig wie die Kinder schlossen wir die Tür auf, stürzten ins Schlafzimmer – es spielte noch. Stille Nacht, heilige Nacht.
    Es wurde Herbst – stille Nacht, heilige Nacht. Die Tage wurden kurz – stille Nacht, heilige Nacht. Der erste Schnee fiel vom Himmel – stille Nacht, heilige Nacht. Anfangs Dezember sagte ich zu meiner Frau: »Ich habe eine Idee. Wir laden für den Heiligen Abend ein paar Gäste ein und sobald die Kerzen am Baum brennen, bringe ich unser liebes Spielili herein und führe es vor.« Wir hatten unserem kleinen Liebling
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