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Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Titel: Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen
Autoren: Brigitte Sinhuber (Hrsg)
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Spucke.« Das Engelchen kaufte sich ein Winterdirndl mit einer himmelblauen Brokatschürze und einen Trachtenanzug.
    Eines Tages rief die Blumenhandlung an, daß die zweihundert Mark aufgebraucht seien. Ich erneuerte den Auftrag nicht, wozu anonyme Sträuße, wenn ein lebendiger Justus vorhanden war.
    Das Engelchen schien keine Notiz davon zu nehmen, daß das Rosenwunder beendet war.
    Die Tatkraft, die sie entwickelte, war rührend. Ganz zufällig fand sie sich plötzlich immer dort ein, wo Justus aufzutauchen pflegte.
    Am späten Nachmittag, wenn die Sonne bereits untergegangen, aber die Hotelbar noch nicht offen war, suchte Justus meist das Schreibzimmer auf, wo die bequemsten Clubfauteuils standen, um dort Zeitungen zu lesen, Börsennachrichten, Financial Time und was eben für Gußstahl wichtig war.
    »Ich bin ganz harmlos vor dem Pult gesessen und habe dem Rechtsanwalt geschrieben, daß mir Friedrich-Wilhelm die heilige Apollonia zurückgeben muß – schließlich hab ich sie von meinem eigenen Geld gekauft –, da kam Dr. Haran, wahrscheinlich habe ich ganz verstört ausgesehen, und es hat sich einfach von selbst ergeben, daß ich ihm alles erzählt habe … Justus hat mich so lieb und nett getröstet!«
    Er war im selben Atemzug Dr. Haran und Justus. Die Atmosphäre schien sich noch nicht ganz stabilisiert zu haben. Aber eines stand fest: Justus verbrachte viele Stunden mit dem Engelchen.
    Ohne, wie sie mir mitteilte, zudringlich zu werden. »Er spricht viel von dir, hat sich erkundigt, wie lang wir uns schon kennen und wie dein Freund ist – findest du das nicht rührend? Alles, was mit mir und Berlin zusammenhängt, interessiert ihn. Man könnte glauben, er macht mir auf diskrete Weise den Hof.«
    Mit mir war er weniger diskret. Als ich ihn zufällig im Dorf traf, zog er mir mitten auf dem Marktplatz die Fäustlinge aus, küßte meine Hände innen und außen, dann ließ er mich stehen und ging fort. Alles, ohne ein einziges Wort zu sagen.
    Ich war empört. »Die Fäustlinge!« rief ich ihm nach. Er kam zurück, zog aus seiner Jackentasche die zusammengeknäulten Handschuhe. »Welchen brauchen Sie notwendiger, den rechten oder linken? Denn einen behalte ich!« Ich wollte ihm beide entreißen. Er sagte: »Jetzt bekommen Sie überhaupt keinen«, und stopfte sie seelenruhig in die Tasche.
    »Justus – bitte.«
    »Sie sind geizig!« sagte er.
    Wir sahen uns in die Augen und schwiegen.
    Er erklärte unvermittelt: »Es ist noch Zeit! Sie können mich noch immer zurückpfeifen.« Dann drehte er sich um und ließ mich endgültig stehen.
    Meine Haut erinnerte mich an seine Hand, und meine Hände an seinen Mund. Aber ich pfiff nicht. Am liebsten wäre ich sofort abgereist. Doch das hätte nach Flucht ausgesehen. Schließlich war ich eine Frau von dreiundzwanzig Jahren, das Geringste, was ich von mir verlangen konnte, war Haltung.
    Ich beschloß, noch eine Woche über mich ergehen zu lassen.
    »Am zweiten Weihnachtsfeiertag fahre ich heim«, teilte ich Angela mit. Justus, der dabei war, warf ein, er bliebe bis Silvester.
    Das Engelchen wurde blaß.
    »Falls sich das Wetter hält«, setzte Justus noch hinzu. »Sonst reise ich früher.«
    Angela warf mir einen drängenden Blick zu, aber ich mischte mich nicht ein. Ich hatte ihr in den Sattel geholfen, jetzt mußte sie selber zusehen, wie sie nun mit diesem goldbraunen Hengst zu Rande kam.
    Das Wetter blieb schön.
    Ich hatte erwartet, daß das Engelchen mich bestürmen, sich Rat holen und Pläne schmieden würde. Aber sie schwieg sich aus. Justus machte ausgedehnte Skitouren. Ich hatte keine Ahnung, wie es zwischen den beiden stand. Es interessierte mich auch nicht. Ich hatte genug damit zu tun, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Ich vergaß sogar, an Nino zu schreiben. Er rief mich an, zuerst war er ironisch, dann begann er zu toben. Ich versuchte ihn zu besänftigen, doch als er in der gleichen Tonart weitermachte, legte ich einfach den Hörer auf.
    Das Engelchen ging seit neuestem mit einem unendlich zarten Lächeln herum. Aber ich fragte nichts, und sie sagte nichts.
    Erst als der Heilige Abend kam, erkundigte sie sich bei mir:
    »Was schenkst du ihm?«
    »Was ich Nino schenke?«
    »Nein, Justus.«
    »Nichts.«
    »Aber falls er uns etwas gibt – müßte man nicht ein kleines Cadeau parat haben?«
    »Er wird uns Blumen schicken. Dafür muß man sich nicht revanchieren.«
    Das Engelchen blickte mich nachdenklich an. »Na schön. Ganz wie du meinst.«
    Justus
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