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Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Titel: Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen
Autoren: Brigitte Sinhuber (Hrsg)
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war der Kavalier, der weiße Orchideen schickte. Sie standen seit mittags in meinem Zimmer. Wo er sie aufgetrieben hatte, war ein Rätsel.
    Tee in der Hotelhalle. Das Engelchen schenkte ein und sah süß und schüchtern aus. Ich hatte mein Haar glatt zurückgebürstet und mir nicht einmal die Lippen geschminkt, um Justus abzuschrecken.
    Er saß da, die verkörperte Wohlerzogenheit, daß er mir die Zuckerdose reichte, fiel mir nicht weiter auf, als er dann noch den Löffel nahm, der auf meiner Untertasse lag, und ihn mir in die Hand gab, hätte ich ihm gern eine geklebt. »Hier«, sagte er voller Sanftmut, »der Löffel! Was links von Ihrem Teller steht, ist der Toast. Sehen Sie gut genug, um sich selbst Butter darauf zu streichen?«
    Er wandte sich an Angela. »Es muß peinlich sein, die Gesichter der Menschen nur als verschwommene Flecken zu sehen.« Dann zu mir: »Wenn ich mich schildern dürfte: ich habe grünlich-graue Augen und eine Narbe am Kinn. Wollen Sie hinfühlen?«
    Ich starrte ihn bloß an. Er sagte zum Engelchen: »Ich bin als Kind gegen einen Marmorsockel gerannt. In unserem Park …«
    Park, Marmorsockel, vom Gußstahl ganz zu schweigen. Nachdem er angebracht hatte, daß er aus reichem Haus stammte, betrachtete er mich wieder mit besorgtem Blick: »Ich frage mich ernsthaft, wieviel Wunderschönes Sie schon zeit Ihres Lebens aus Kurzsichtigkeit versäumt haben. Man müßte sich um Sie kümmern. Sonst gehen Sie tatsächlich eines Tages am großen Glück vorüber.«
    Auch Angela trug ihr Teil zur Unterhaltung bei: »Herrliches Wetter haben wir! Ich habe den ganzen Vormittag auf dem Balkon in der Sonne gelegen.« Justus sagte: »Um sechs Uhr morgens war die Luft so kalt, daß mich jeder Atemzug geschmerzt hat wie ein Messerschnitt.«
    Das Engelchen erkundigte sich, wieso er um diese Zeit schon wach gewesen sei.
    »Ich hatte in München zu tun«, sagte er mit unschuldigem Gesicht. »Eine dringende Besorgung.«
    Das war der Moment, wo ich etwas von Arbeit murmelte, aufstand und in mein Zimmer zurückging: zu den weißen Orchideen aus München.
    Justus, wie ich später vom Engelchen hörte, war »ein wirklich seriöser Mensch! Und dabei schüchtern. Stell dir vor, er hat nicht den Mut, sich zu beschweren, obwohl in seinem Hotel die Zentralheizung nicht funktioniert. Dabei ist ein ungeheizter Raum Gift für seinen Hals.«
    Ich begriff. »Wann zieht er hier ein?« fragte ich.
    »Morgen«, sagte das Engelchen ganz beglückt.
    Manchmal sah ich ihn vormittags beinahe splitterfasernackt auf dem Balkon liegen und sich sonnen. Ein breitschultriges, sehr nobel gewachsenes Mannsbild, goldbraun von der Stirn bis zu den Zehen.
    Daß er sich ins selbe Hotel einquartiert hatte, war nicht mehr zu ändern. Aber ich ließ ihn fühlen, wie unerwünscht seine Anwesenheit war. Ich kam nicht mehr in den Speisesaal, sondern ließ mir die Mahlzeiten im Zimmer servieren. Trotzdem war es nicht zu vermeiden, daß er mir immer wieder über den Weg lief. Dann grüßte er mit übertriebener Höflichkeit, bloß daß er mich dabei gründlich betrachtete und mir eindeutige Signale zulächelte.
    Das Engelchen ahnte nichts und war mit eigenen Problemen beschäftigt.
    Sie erschien ungebeten, aber ständig in meinem Zimmer, um mir zu berichten und meine Meinung zu hören. Sie war mit Justus um zwei Uhr verabredet gewesen, er rief »Endlich!«, als sie um halb drei erschien. »Hältst du das für ein gutes Zeichen?« fragte das Engelchen. Ich sagte: »Ja. Ein anderer hätte höchstens zehn Minuten gewartet.« Aber Engelchen interessierte sich für das Wort »endlich«, sie wollte wissen, ob ich es für vielversprechend hielt.
    »Engelchen«, sagte ich, »geh spielen. Zeig Justus, wie man Papierpuppen ausschneidet, oder bau mit ihm einen Schneemann!«
    Sie verschwand, und ich vergrub mich wieder in den Frühlingsroman. Vor der Balkontür funkelten die Eiszapfen in der Sonne.
    Eines Nachts schreckte ich aus tiefem Schlaf hoch, die Lampe an der Zimmerdecke war aufgeflammt, und Angela stand neben meinem Bett. Als sie fragte, welche Kleider sie sich aus Berlin nachschicken lassen solle, mußte ich sämtliche Sandküchelchen mit tausend multiplizieren, ehe ich einigermaßen freundlich sagen konnte: »Bist du verrückt geworden!«
    Am Morgen drangsalierte sie mich von neuem, aber da hatte ich schon gefrühstückt und meine schlechte Laune überwunden. »Laß die alten Fetzen in Berlin«, sagte ich. »In Mausgrau und Lila siehst du aus wie kalte
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