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Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Titel: Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen
Autoren: Brigitte Sinhuber (Hrsg)
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noch die Flasche Bollinger ausgetrunken, anschließend ein paar Gläser Himbeergeist gekippt, aber dann waren sie zum Champagner zurückgekehrt.
    »Ich dachte, der Alkohol wird Justus doch aufheitern, aber er wurde immer schwermütiger. Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß er nicht betrunken war! Oder so gut wie kaum. Gegen elf hat er mich zu meinem Zimmer begleitet.«
    »Und dann?«
    Das Engelchen druckste ein bißchen herum. Auf dem Korridor, zwischen Tür und Angel, hatte er sie geküßt, zuerst sehr zart, dann mit beängstigender Glut. Als sie ihm zuflüsterte: »Wenn jetzt irgendjemand vorbeikommt. . .« hatte Justus geantwortet »Sie haben vollständig recht!«, war mit ihr ins Zimmer getreten und hatte die Tür hinter sich zugezogen.
    »Ich schwöre dir«, sagte das Engelchen, »das war das letzte, was ich beabsichtigt hatte! Ich war restlos verlegen.«
    Ich ermunterte sie nicht, weiter zu erzählen, aber sie brauchte keine Aufforderung.
    »Ich wollte ihn ablenken! Und zeigte ihm alle Weihnachtsgeschenke, die ich bekommen hatte, die Bluse von Herma und die handgestickten Frühstücksservietten von meiner Masseuse und deinen Rauschgoldengel … Weißt du, warum er den ganzen Abend so verdüstert war? Weil ihm kein einziger Mensch was geschenkt hat! Rein gar nichts. Nicht einmal ein altes Zehnpfennigstück! Du kannst ruhig lachen, das ist mir egal. Du warst nicht dabei, du hast sein Gesicht nicht gesehen. Ich mußte ihm einfach eine Freude machen. Aber wo sollte ich um diese nachtschlafende Zeit ein Geschenk für ihn hernehmen!«
    Angela errötete sanft. »Deshalb …«, sagte sie und verstummte. Sie lächelte mich an. »Was hätte ich ihm sonst geben können? Es war das einzige, was ich bei mir hatte …«
    Wenn es wirklich ernst wurde, war das Engelchen jeder Situation gewachsen. Ja, das ist die Geschichte der glücklichen Ehe, die ich gestiftet habe.
    Am Abend des 26. Dezember fuhr ich nach Berlin zurück. Sie begleiteten mich beide zum Bahnhof. Das Engelchen blieb – erschöpft – im Schlitten sitzen, aber Justus brachte mich bis ins Schlafwagenabteil.
    »Leb wohl«, sagte er.
    Dann zog er mich an sich und küßte mich.
    Wir zitterten, als wir einander losließen.
    Bei der Tür drehte er sich noch einmal um und warf mir stumm einen runden Wollball aufs Bett. Es war der zusammengerollte Handschuh. Nur einer.
    Als ich wieder in Berlin war, trennte ich mich von Nino. Ich hätte nicht sagen können, warum – es war eben aus und vorbei und zu Ende …

HUGO WIENER: Fröhliche Weihnachten
    HUGO WIENER

    Fröhliche Weihnachten

    Letztes Jahr am Weihnachtstag bekamen meine Frau und ich eine süße Weihnachtskarte.
    Was, werden Sie fragen, kann an einer Weihnachtskarte süß sein? Ich werde es Ihnen sagen: Es war keine eigentliche Karte, es war ein Billett, und wenn man es aus dem Umschlag nahm und öffnete, ertönte ein Spielwerk und spielte zart und leise: »Stille Nacht, heilige Nacht.«
    Meine Frau und ich waren gerührt. Im Zimmer verbreitete bereits der Weihnachtsbaum seinen Duft, darunter lagen die noch verpackten Geschenke, aus der Küche drang der Wohlgeruch der Weihnachtsbäckereien, und jetzt noch die erhebende Weise des »Stille Nacht, heilige Nacht«. Es herrschte eine richtige Weihnachtsstimmung im Zimmer, und meine Frau und ich erinnerten uns an die Zeit, in der die Weihnachtsbäume noch nicht aus Aluminium, sondern aus richtigem Plastik waren. Eben starteten ein paar Tränen, um aus meinen Augen zu rinnen, als die Melodie ein zweites Mal begann. Klar. Das Lied hatte ja zwei Verse. Mindestens. Nun begann sie ein drittes Mal. Also drei Verse. Denkste, sagt der Berliner, während der Wiener »Schnecken« sagt. Sie ertönte ein viertes, ein fünftes, ein sechstes Mal. Sie hörte nicht auf zu ertönen. Wir klappten das Billett zusammen und steckten es in den Umschlag – sie ertönte. Wir nahmen es heraus und öffneten es – sie ertönte. Es wurde Mittag, Nachmittag, Abend sie ertönte noch immer, wir hatten uns vorgenommen, einmal am Weihnachtsabend allein zu sein, und wir waren auch allein. Allein mit dem Weihnachtsbillett. Wir standen unter dem Baum – stille Nacht, heilige Nacht. Wir aßen unseren Karpfen – stille Nacht, heilige Nacht. Meine Frau machte ein verkrampftes Gesicht, ich zitterte vor Nervosität – stille Nacht, heilige Nacht. Wütend sprang ich aus dem Bett, trug das Billett ins Vorzimmer, dachte, endlich wird Ruhe sein, aber kaum lag ich wieder im Bett, als meine Frau
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