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Macabros 036: Gruft der bösen Träume

Macabros 036: Gruft der bösen Träume

Titel: Macabros 036: Gruft der bösen Träume
Autoren: Dan Shocker
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Die kleine Frau legt ihren Arm um die Schultern der Gestalt, die
in dem altmodischen und verstaubten Korbsessel saß.
    »Es wird bald alles gut werden, meine liebe Eliza«,
sagte sie mit leiser Stimme. In ihren Augen schimmerte es feucht.
Mechanisch stieß sie den Korbsessel immer wieder an. Es war ein
Schaukelstuhl, in dem Eliza saß.
    Der Raum war kahl und klein, und in einer Nische in der Wand stand
eine blakende Öllampe, die ärmliches Licht spendete.
    »Bald werden wir dein Lachen wieder hören und werden
teilhaben an deiner Fröhlichkeit. Du wirst wieder so sein wie
früher…« Um die Lippen der dunkelgekleideten Frau
zuckte es, und das Zucken entwickelte sich zu einem leisen,
hoffnungsfrohen Lächeln, das das kleine Gesicht verschönte.
»Es wird so sein, als wäre nie etwas geschehen… aber
du mußt mir eins versprechen, Eliza: du darfst es nie wieder
tun…«
    Der Schaukelstuhl wippte nach vorn. Es schien, als ob die
schmalbrüstige Gestalt nicke.
    Auch das flackernde Licht der Öllampe trug zu diesem Eindruck
bei.
    Aber der täuschte.
    Das ausgetrocknete, uralte Wesen mit dem zerknitterten Gesicht,
dem spitzen, verkniffenen Mund und den leblosen Augen konnte weder
Antwort geben noch nicken.
    Es war schon seit dreißig Jahren – tot.
     
    *
     
    »Der Wirt ist zwar ein bißchen komisch, aber das haben
alle irischen Wirte an sich, die so einsam leben. Ihr werdet euren
Spaß dort haben, darauf könnt ihr euch verlassen. Er kann
tolle Geschichten erzählen. Er weiß mehr über Geister
und Spukerscheinungen, als in der einschlägigen Literatur jemals
gedruckt wurde. Es ist unheimlich dort, in dem Haus am Loop Head. Es
ist genau das, was ihr verwöhnten Städter sucht. Ein
ziegelgedecktes Haus auf der äußersten Spitze des Kaps.
Vor euch das Meer, hinter euch Felsen und im Umkreis von fünfzig
Kilometern keine menschliche Siedlung. Ihr werdet ein ganz neues
Lebensgefühl kennenlernen. Wir kommen auf alle Fälle und
besuchen euch während eures Urlaubs. Wir haben uns das kommende
Wochenende dafür vorgenommen. Wir freuen uns, euch nach so
langer Zeit wiederzusehen…«
    Es war, als vernähme er noch jetzt die Stimme seines Freundes
Mogdan am Telefon, der vor ein paar Tagen, als sie noch in London
weilten, mit ihnen gesprochen hatte.
    Es war ihr erster Urlaub auf der ›Grünen
Insel‹.
    In weniger als einer halben Stunde würden sie am Kap
sein.
    Es war schon dunkel. Stan Falkner war den ganzen Nachmittag
angespannt gefahren, um nicht allzu spät in der Pension
einzutreffen, die Mogdan ihnen empfohlen hatte.
    Mogdan lebte mit seiner Frau unweit der nordirischen Grenze, hatte
durch einen Zufall vor Jahren selbst das Haus am Loop Head entdeckt
und war mit seinem Aufenthalt dort sehr zufrieden gewesen.
    Seiner Auskunft nach zu urteilen war man dort wirklich allein. So
weit abseits war der Massentourismus noch nicht gekommen.
    Stan Falkner und seine Freundin Cathy Francis, mit der er seit
über drei Jahren zusammenlebte, suchten die Abgeschiedenheit.
Das Leben in der Großstadt war aufreibend genug.
    Es war ihnen nur recht, daß die Geschäfte des Wirts in
dem Gasthaus am Loop Head so schlecht gingen. Wenn sie Mogdans Worten
Glauben schenken durften, dann würden sie die einzigen
Gäste sein.
    Der Himmel war klar, und die Sterne funkelten über der
kargen, tristen Landschaft. Es war ein kalter Vorfrühlingsabend,
aber in dem mausgrauen Ford war es angenehm warm.
    Stan Falkner spitzte die Lippen und pfiff leise ein Lied vor sich
hin. Er warf einen Blick zur Seite und lächelte. Neben ihm
saß die schöne, rothaarige Cathy. Sie hatte die Augen
geschlossen, und es schien, als ob sie schliefe. Ihre Züge waren
völlig entspannt, ihre schön geschwungenen Lippen
schimmerten feucht, so daß er sie am liebsten geküßt
hätte. Cathy atmete tief und ruhig.
    Aus einem plötzlichen Gefühl heraus löste er seine
rechte Hand vom Steuerrad und fuhr mit dem Handrücken leicht
über die Wangen seiner hübschen Begleiterin.
    Cathy Francis schlug die Augen auf.
    »Müde?« fragte er leise.
    »Mhm, nein. Ich schalte nur ein wenig ab.«
    »Wir sind gleich da«, sagte er.
    »Ich freu’ mich darauf.«
    »Daß du mit mir zusammen sein kannst?«
    »Erraten!«
    »Das versteh ich nicht.« Er schüttelte den
Kopf.
    Die Vierundzwanzigjährige sah ihn aus großen, dunklen
Augen an. »Was ist daran so schwer zu verstehen?«
    »Wir sind Tag für Tag zusammen, Cathy. Schon seit drei
Jahren. Ob wir auch zusammen mal Urlaub machen, kann uns
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