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Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Titel: Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen
Autoren: Brigitte Sinhuber (Hrsg)
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Jahr. Im Januar. Ich habe in der ersten Reihe gesessen!«
    Er drückte mich eine Sekunde lang leicht an sich.
    »Sie haben mich unentwegt angesehen – damals in Köln! Sie wollen es doch nicht ableugnen!«
    Daß ich in Köln aus meinen Büchern vorgelesen hatte, stimmte. Plötzlich begriff ich, wovon er sprach. »Das hängt mit meinem Lampenfieber zusammen«, erklärte ich ihm. »Wenn ich das Publikum nicht ignoriere, würde ich kein Wort herausbringen. Ich klammere mich an irgendein Gesicht, und dem lese ich die Geschichte vor. Ich bin kurzsichtig. Falls ich Sie angesehen habe, waren Sie für mich bloß ein verschwommener Fleck. Wirklich, ich bin blind wie eine Fledermaus!«
    Lügner war er keiner, aber unverschämt. Er beugte sich beim Tanzen ein wenig herunter und küßte mich auf die Schläfe.
    »Sind Sie betrunken?«
    »Nein!« sagte er. »Hat eine Frau wie Sie Minderwertigkeitsgefühle! Man muß keineswegs betrunken sein, um Sie zu küssen!«
    In meinen Romanen war nie jemand um schlagfertige Antworten verlegen, ich dachte aber auch immer stundenlang nach, bis sie mir einfielen. Hier, im Ballsaal, fehlte mir die Zeit.
    »Haben Sie wirklich schon mit zwanzig Jahren Ihr erstes Buch geschrieben? Ihr Parfüm verwirrt mich, es riecht wie Pfirsich in der Sonne. Schicken Sie die arme kleine Trauerweide weg, mit der Sie hier sind. Sie brauchen keine Gardedame, ich werde selber die ganze Nacht achtgeben, daß Sie nicht belästigt werden!«
    Seine Hand auf meinem nackten Rücken hielt mich keineswegs beschützerisch, und meine Haut war damit einverstanden.
    Daß er das Engelchen erwähnt hatte, war ein Glück, ich wurde sofort wieder nüchtern und erinnerte mich an meine Pflichten.
    »Meine Freundin ist keine Trauerweide«, sagte ich. »Und klein ist sie auch nicht. Sie paßt in der Größe besser zu Ihnen als ich. Tanzen Sie doch mit ihr!«
    »Ich bin ein Mensch ohne Manieren«, verkündete er mit einem strahlenden Lächeln. »Ich hätte mich schon längst vorstellen müssen. Ich heiße Justus Haran, wohnhaft in Köln, Alter sechsunddreißig. Haben Sie schon einmal von den Haran-Gußstahlwerken gehört? Ich bin hier, um mich von einer Mandeloperation zu erholen. Ist Ihnen meine heisere Stimme noch nicht aufgefallen? Ich kann nicht mit fremden Damen tanzen, ich bin noch äußerst schonungsbedürftig. Das trifft natürlich nicht auf Sie zu, wir kennen uns ja schon seit zehn Minuten.«
    Ich tat das, was ich schon längst hätte tun sollen. Ich machte mich los, drehte mich um und ging. Er lief hinter mir her. »Also schön, ich werde mit ihr tanzen.«
    Justus tanzte zweimal mit dem Engelchen, dann wieder mit mir. »Finden Sie mich jetzt sympathischer?« erkundigte er sich. »Kann ich Sie morgen wiedersehen? Und was bekomme ich für meine Ritterdienste?« Ich erklärte ihm, daß ich ständig arbeiten müsse, nie Zeit hätte, und nur Gigolos würden entlohnt.
    »La belle Dame sans merci«, sagte er kopfschüttelnd.
    Justus holte das Engelchen nochmals zum Tanz, und als die Musik pausierte, kamen sie nicht zum Tisch zurück. Ich sah mich um und entdeckte, daß sie an der Bar saßen und große Cognacgläser vor sich hatten.
    Einer der Bobfahrer erschien, als die Kapelle von neuem einsetzte, und schleifte mich quer durch den Saal. Dann trampelte mir der soignierte Herr aus unserem Hotel auf den Silberschuhen herum, jedesmal wenn er mich trat, sagte er: »Verzeihung«, das war die ganze Konversation, die er zu bieten hatte.
    Das Engelchen saß allein am Tisch, als mich der Soignierte ablieferte.
    »Dr. Haran läßt sich bei dir entschuldigen«, sagte sie. Ihre Wangen waren rosig angehaucht, vielleicht vom Cognac.
    »Er ist heimgegangen, er verträgt die rauchige Luft nicht.«
    Ich wartete, ob noch etwas kam, Haran war nicht der Typ, der sang- und klanglos verschwand.
    »Ich habe ihn für morgen zum Tee eingeladen«, sagte das Engelchen.
    »Oh!«
    »Das Oh kannst du dir schenken, ich bin keine Nymphomanin. Eigentlich hat er sich selbst eingeladen, ich konnte nicht nein sagen, es wäre beleidigend gewesen.«
    Am nächsten Tag hatten das Engelchen und ich eine fürchterliche Zankerei, die um drei begann und bis um viertel nach Vier dauerte. Sie wollte um keinen Preis mit Justus Haran allein sein. »Ich bin sicher, daß meine Blumen von ihm stammen! Je länger ich nachdenke, desto überzeugter bin ich. Er ist genau der Kavalier, der wortlos Rosen schickt! Du mußt dabei sein, damit es zu keinem privaten Gespräch kommen kann!«
    Er
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