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Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Titel: Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen
Autoren: Brigitte Sinhuber (Hrsg)
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versuchte mich daran zu erinnern, wie Apfelblüten aussehen. Mein Roman spielte im Frühling.
    Jeden Nachmittag stapfte ich mit Angela durch den Wald zum Kramerplateau hinüber oder zum Antoniuskirchlein und hörte mir ihre melancholischen Betrachtungen über Friedrich-Wilhelm an. Mit klammen Händen, rotgefrorenen Nasen kamen wir ins Hotel zurück zur Zentralheizung, zu den Kristallchandeliers und den seidenbespannten Fauteuils.
    Als der sechste Strauß abgegeben wurde, sagte Angela: »Wenn ich jünger wäre, würde ich glauben, daß diese Blumen von einem Anbeter sind!«
    Es war mir gelungen, ich hatte es fertiggebracht. Für zweihundert Mark, im voraus bezahlt, hatte ich einen Mann hergezaubert.
    Beim Abendessen – sie trug zwar ein resignierendes mausgraues Kleid, aber sie hatte sich die Lippen geschminkt – starrte das Engelchen Löcher in die Luft.
    »Was ist los?« erkundigte ich mich.
    »Friedrich-Wilhelm. Hat er mich je geliebt? Warum hat er mich geheiratet? Hältst du ihn für einen schlechten Charakter?«
    Da es mir zu mühsam war, alle Fragen der Reihe nach zu beantworten, sagte ich: »Ist dir nicht aufgefallen, wie schnell er seine erste Frau abgehalftert hat? Er hat eine Vorliebe für Taufrische. Er hat dich geheiratet, weil du zwanzig gewesen bist und er vierundvierzig. Er schätzt Altersunterschiede, je größer, desto besser. Jetzt ist er fünfzig und die neue Gattin siebzehn. Ich verspreche dir, wenn er sechzig ist, wird er sich über eine Dreizehnjährige hermachen, und dann kommt er ins Zuchthaus.«
    Sie sah an meiner Schulter vorüber und schwieg. Ich hatte erwartet, daß meine Prognose sie erfreuen würde.
    »Dreh den Kopf ein bißchen zur Seite«, sagte sie langsam, »und schau unauffällig nach links. Der einzelne Herr an dem Tisch beim Fenster …«
    Er hatte graumeliertes Haar, ein soigniertes Gesicht und war dürr wie ein Stecken.
    Dem Smoking nach schätzte ich ihn auf Bankier ein.
    »Der gefällt dir?«
    »Überhaupt nicht«, antwortete das Engelchen, ohne den Blick von ihm zu lassen. »Aber ich dachte bloß … die Rosen müssen doch von irgend jemand kommen!«
    Sie wandte sich der Vorspeise zu – seit einigen Tagen hatte sie wieder Appetit – und erklärte mir: »Es sind nur drei einschichtige Männer im Hotel. Der eine davon ist ein Greis. Der andere parfümiert sich, ich hab es genau gerochen, als er an mir vorbeigegangen ist, der kommt also kaum in Betracht. Aber der beim Fenster könnte es durchaus sein.« Ich wußte nicht, ob ich mich freuen sollte, mir war ein bißchen ungemütlich.
    Das Bobrennen war das große Ereignis der Saison. Anschließend fand ein Ball im Hotel Post statt. »Ganz Garmisch wird dort sein«, versicherte das Engelchen. »Vielleicht wohnt er in einem anderen Hotel.« Ihre Gedanken beschäftigten sich ständig mit dem Mann, den es nicht gab. Sie setzte mir auseinander, daß sie am Vormittag unserer Ankunft, während ich beim Friseur gewesen war, allein in der Halle gesessen hatte. »Er wird auf einem Spaziergang gewesen und hier eingekehrt sein – was meinst du? Die Rosen sind doch schon am ersten Nachmittag geschickt worden!«
    Unser Hotelportier fand, wir könnten ruhig einen Tisch in der »Post« bestellen, eine Menge Damen kämen ohne Begleitung.
    Wir gingen zum Ball. Angela im schlichten Schwarzen mit der Hermelinstola aus der Zeit des Glücks. Mir hatte meine Wirtschafterin als einzige Abendtoilette das tief dekolletierte Silberlamekleid und die langen, mattrosa Handschuhe eingepackt, ich war viel zu nackt, viel zu silbern, Angela kam gegen mein Geglitzer nicht auf. Ich wunderte mich nicht, daß schon nach ein paar Minuten ein hochgewachsenes, breitschultriges Prachtexemplar auf unseren Tisch zusteuerte, dem Engelchen als einzige Höflichkeit ein Kopfnicken gönnte, und vor mir eine Verbeugung machte. Es erstaunte mich jedoch, daß er sagte: »Was für eine Überraschung, Sie hier zu treffen! Sie erinnern sich doch, letztes Jahr in Köln …«
    Ich hatte ihn nie vorher gesehen.
    Wenn er ein dürftiges Bürschlein gewesen wäre, hätte ich ihm die Ausrede abgenommen, aber er war wahrhaftig nicht dürftig. Er sah großartig aus. Er hatte ein sonnengebräuntes Gesicht, lebenslustige Augen und einen hungrigen Mund.
    Wir tanzten, und schon nach ein paar Schritten sagte der Lügner, der mich in Köln kennengelernt haben wollte: »Wissen Sie, daß ich damals ganz verliebt in Sie war?«
    »Das ist doch alles erfunden!«
    »Aber nein! Wirklich, es war voriges
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