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Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Titel: Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen
Autoren: Brigitte Sinhuber (Hrsg)
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sitzt und in einem Notizbuch blättert. »An jeden Weihnachtn spuit er desselbe Spui«, und weil er Opas hilflosem Blick begegnet – er ist gebürtiger Hannoveraner –, bemüht er sich um ein gespreiztes Hochdeutsch. »Also, der Wittler, so heißt er, geht vor jeden Weihnachten durch die Kaufhäuser mit seinem Notizblock und schreibt die Preise für Geschenke für eine vierköpfige Familie auf, dann zählt er sie zusammen und schimpft auf das Erpresserfest, das den Menschen den letzten Groschen aus der Hose zieht und sie auch noch in Schulden stürzt –«
    Oh, das kann er verstehen, nickt Opa, er hatte selbst drei Kinder und den Waisen von seinem verstorbenen Bruder –
    »Sie verstehen eben nicht richtig«, sagt der Wirt, »weil ist der Wittler ein Junggeselle.«
    Und das versteht Opa nun wirklich nicht.
    »Nämlich ist das so, der Wittler notiert sich Jahr für Jahr aus Freud am Geiz, was er alles spart, indem er nicht für eine Familie zu Weihnachten einkaufen muß.«
    »Aha«, sagt Opa und schaut zum Wittler hinüber – da hockt er am Heiligen Nachmittag vor einem kleinen abgestandenen Bier und blättert ziellos in seinem Notizbuch. »Also, froh sieht der nicht aus.«
    »Nein«, sagt der Wirt, »weil spart sich der Wittler immer mehr zum armen Schwein, wo er doch niemanden zum Ausgeben hat.«
    4 Uhr. Zu Hause ist dicke Luft. Der Vater mosert, weil er seinen dunklen Anzug anziehen soll. Mit Krawatte.
    »Wozu denn, kommt doch keiner.«
    »Und wir?« fragt Oma pikiert. »Sind wir vielleicht gar nichts?« (Oh, wären sie doch lieber zu ihrer Tochter nach Osnabrück gefahren!) Beim Heimkommen findet Anette Engelshaar auf dem Flurteppich. Das Christkindl ist endlich da!
    Wie spät ist es? Halb fünf? Ja, dann könnten wir doch langsam anfangen. – »Zündest du die Kerzen an?« – »Oma ist schon wieder beleidigt, kannst du mir sagen, warum?« – »Ruhe, Anette, gleich ist es soweit!«
    »Hast du die Platte mit den Weihnachtsliedern?«
    »Aber das ist doch Udo Lindenberg. Müßt ihr die Dinger immer in die falschen Hüllen stecken Ja? In diesem Hause ist nie was an seinem Platz.«
    »Nun mecker nicht, ich tu‘s auch nicht, obgleich ich nicht mehr stehen kann. Meine Füße, also ich bin total geschafft – wo hab‘ ich denn die Bimmel? – Alles klar? Dann klingel ich jetzt!«
    Beim Ton des Glöckchens stolpert Anette, an Opas Hand, blinzelnd vor seliger Befangenheit, ins Weihnachtszimmer. Peter sieht sofort seine neuen Skier.
    Oma fängt die ersten Tropfen seelischer Erschütterung mit der Unterlippe auf.
    Anettchen singt »O du fröhliche, gabenbringende Weihnachtszeit«. Der Vater hält eine neue, in den Landesfarben umhäkelte Klorolle in den verdutzten Händen – »als Ersatz für die verlorengegangene«, hat Hilde dazu geschrieben.
    Aller Ärger ist vergessen, alle Hetz der letzten Wochen, das Loch auf dem Konto, die schmerzenden Füße, Oma will auch nicht mehr zur anderen Tochter nach Osnabrück.
    Vielleicht sollte man Nonnenmachers nach dem Abendessen rüberbitten!? Damit sie mal trockene Füße kriegen . . .
    Weihnachten ist schön, nicht nur für Anette.
    »Kommt das Christkind bald wieder?« fragt sie ihre Mutter beim Ausziehen.
    »Nächstes Jahr.«
    »Wann ist nächstes Jahr?« fragt Anette.

PETER FRANKENFELD: Der Baum
    PETER FRANKENFELD

    Der Baum

    Alle Jahre wieder, in stiller Freude auf das nahende Weihnachtsfest, werden Abseiten und Remisen geöffnet, Böden erklommen oder Kellergewölbe aufgesucht. Der begehrte Karton ist dank seiner Größe rasch gefunden und aus der Dunkelhaft befreit. Im Wohnzimmer, traditionsgemäß der Zielort des Transportes, enthüllt er nach ungeduldigem Öffnen der miteinander verklemmten Pappdeckel sein glitzerndes Innenleben: Weihnachtsschmuck. Vor manchen dieser Artikel ist schon über zehnmal gesungen worden; einige der Kugeln erinnern an älteres Obst, es finden sich Lamettasträhnen, die das Aussehen von braunem Seetang angenommen haben.
    Aber Weihnachtsschmuck ist kein Verbrauchsgut, sondern gewissermaßen Familienschmuck, ältere Stücke sind vertraut geworden und erhalten das Gnadenbrot. Doch da man den Weihnachtsbaum, Kleinod des beliebten Festes, nicht mit braunen Strähnen und Kugelkreisen schmücken möchte, wird alljährlich neue Glitzerware angeschafft.
    Angesichts unserer respektablen Sammlung folgerte meine Frau: »Wenn wir den ganzen Schmuck aufhängen wollen, brauchen wir einen großen Baum.«
    Sie hatte mir fünfundzwanzig Mark in die Hand
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