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Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Titel: Wen liebst du, wenn ich tot bin?
Autoren: Arena
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Ästen auf seinem Arm legte.
    Zurück am Lagerplatz kniete er sich hin und machte Feuer. Als sich die Tür des Wohnwagens zum zweiten Mal öffnete, war er bereits dabei, die Flammen mit einem Stück Pappkarton anzufachen. Seine Mutter stieg die Stufen herab, in der Hand hielt sie Schüsseln, das Baby hatte sie sich auf den Rücken gebunden. Der Junge stellte sich auf die andere Seite des Feuers und fächelte den Rauch von ihnen fort.
    »Pilli?« Dad hob den Kopf. »Bist du das?«
    Dad nannte mich Pilli, weil Iris auch Pupille bedeuten kann. Sam hat damit angefangen. Mum hatte Dad deswegen immer geschimpft, damals, als sie noch miteinander redeten. »Sie ist nach der Blume benannt«, hatte sie dann immer gesagt, aber im Grunde war es ihr nicht so wichtig. Es war nur eins von den vielen Dingen, die sie nicht mochte.
    »Was machst du da?«, wollte er von mir wissen.
    »Suche meine Socken«, sagte ich und und wühlte in dem Berg unsortierter Strümpfe, auf dem ich saß. Dads Plastikwecker machte ein Quietschgeräusch, als er ihn von seinem Nachttisch angelte. »Noch nicht mal sieben«, stöhnte er. »Geh zurück ins Bett.«
    Ich sah dem Jungen noch zu, wie er sich einen Rucksack über die Schulter warf, dem Baby über den Kopf strich und dann über die Wiese lief, die am anderen Ende zu einem kleinen Bach abfiel. Am gegenüberliegenden Ufer des Bachs setzte er seinen Weg fort, um kurz darauf in den Getreidefeldern zu verschwinden. Ich fragte mich, wohin er wohl unterwegs war.
    Das Einzige, was ich im Sommer vermissen würde, waren die naturwissenschaftlichen Fächer. Ich liebte Biologie, und das nicht nur, weil ich da ausnahmsweise meine Ruhe vor Matty hatte. Ich war in Biologie eine der Besten, während sie nur im Grundkurs war. Und ich hörte immer ganz besonders aufmerksam zu, wenn Mrs Beever über das Brutverhalten von Vögeln sprach.
    Offensichtlich bauen männliche und weibliche Schwäne ihr Nest gemeinsam, und wenn die Schwanenmama stirbt (oder in einem Transporter nach Tunesien auf- und davonfährt), dann ist das noch lange kein Grund, durchzudrehen und den Tierschutzbund zu rufen. Der männliche Schwan kann seine Jungen problemlos alleine großziehen. Beinahe hätte ich mir gewünscht, dass Matty ausnahmsweise doch neben mir gesessen und das gehört hätte.
    Den ganzen Nachmittag stritten wir miteinander, aber als wir uns nach der Schule Süßigkeiten kauften, lud sie mich ein, bei ihr zu übernachten. »Wir können eine Modenschau mit meinen neuen Klamotten machen«, schlug sie vor. »Und Mum macht Spaghetti Bolognese.«
    »Glaube kaum, dass mein Vater mir das erlaubt«, log ich und steckte zehn Colagummis in eine Papiertüte.
    »Ist er immer noch so seltsam?«, fragte sie, und ich nickte, aber in Wahrheit hasste ich es mittlerweile, bei ihr zu Hause zu sein.
    Donna, ihre Mutter, fragte mich immer mit ihrer Dukannst-mir-alles-anvertrauen-Miene: Geht’s dir gut? Ist dein Vater okay? Alles in Ordnung bei euch auf der Silverweed-Farm? Am schlimmsten war, dass Matty sie nicht etwa davon abhielt, sondern erwartungsvoll danebenstand und mich anguckte, als ob die beiden eine Art Mutter-Tochter-Duo in einer Talkshow wären und ich ihr Lieblingsgast.

Zwei
    A m Samstagmorgen tauchte ein weiterer Wohnwagen auf. Er war weiß, aber das Auto war kunterbunt: der Kofferraum rot, die Türen blau, der Rest der Karosserie silbern. Der Außenspiegel auf der Beifahrerseite baumelte herab wie ein abgeknicktes Ohr. Ein Mann mit einem riesig breiten Kinn stieg aus, eine Zigarette im Mundwinkel. Der Junge schien sich bei seinem Anblick zu freuen. Er lief sofort zum Wohnwagen seiner Eltern und kam kurz darauf mit einem Stoß Kartons wieder heraus und grinste. Den ganzen Morgen verbrachte er damit, sich im neuen Wohnwagen einzurichten und die kleinen Mädchen wegzuscheuchen, wenn sie ihm vor die Füße liefen.
    Nachdem er die Hunde gefüttert hatte, nahm der Junge wieder seinen Rucksack. Ich fragte mich, was da wohl drin war – vielleicht ein Buch und ein Zeichenblock mit ein paar Stiften? Ich stellte mir vor, wie er sich ein gemütliches Plätzchen mitten im Feld suchte, um dort den ganzen Tag zu zeichnen. Ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn ich neben ihm sitzen und ein Buch lesen würde. Es wäre wunderbar friedlich und ruhig und niemand würde ständig streiten wollen.
    Die Hunde folgten ihm bis zum Bach und sprangen sich gegenseitig an. Einen Augenblick später kletterten sie die Uferböschung hoch. Dann verschwanden sie
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