Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Titel: Wen liebst du, wenn ich tot bin?
Autoren: Arena
Vom Netzwerk:
zusammen in den Maisfeldern. Seine Mutter ging in den Wohnwagen und putzte die Fenster, während sich die Kleinen um ein Spielzeug balgten. Die beiden Männer saßen in der Sonne, rauchten und redeten. Jetzt, wo der Junge weg war, gab es nichts mehr zu beobachten.
    Ich wartete am Frühstückstisch auf Sam. Früher ist er immer zeitig aufgestanden, um die Zeitung für Mum zu holen – sie konnte es nicht leiden, wenn jemand lange schlief. Ich hoffte immer noch, dass er diese Gewohnheit wieder aufnehmen würde. Immerhin las Dad auch gerne Zeitung.
    Um zehn Uhr gab ich es auf, auf Sam zu warten, und ging mit unserer Hündin in den Vorgarten. Sie sah noch wie ein Welpe aus, obwohl sie schon zwei Jahre alt war. Dad hatte sie winselnd in einer Scheune eines verlassenen Bauernhofs gefunden, den er gerade ausgeräumt hatte. Sie war so klein gewesen, dass sie locker in seine Tasche gepasst hatte. Sie war eine seltsame Mischung aus Spaniel und Collie, und ihre Ohren verschwanden fast ganz unter ihrer langen, zottigen Mähne, weshalb Sam behauptete, sie sähe so aus wie ich. Kein anderer Hund war so schwer zu erziehen gewesen wie sie, deshalb taufte ich sie Fiasco.
    Der Himmel hatte die Farbe von ausgelutschtem blauem Wassereis. Ich schnappte mir einen Tennisball und schlug ihn mit der Kohleschaufel so weit wie möglich. Er segelte über den Pick-up hinweg, an den schrottreifen Autos und dem verlassenen Hühnerstall vorbei und schlug hinter dem Apfelbaum auf und sprang über den Boden. Fiasco angelte ihn aus der Luft, kam zurückgelaufen und ließ ihn vor meine Füße fallen.
    »Ein letztes Mal noch«, sagte ich und balancierte den sabbergetränkten Ball auf der Schaufelkante und schlug ihn so weit fort, wie ich konnte. Hundesabber spritzte mir ins Gesicht und ich rannte in die Küche, um mich zu waschen.
    Auf der Silverweed-Farm hatte es immer ein bisschen chaotisch ausgesehen, aber jetzt, nach zwei Monaten ohne Mum, war es auch noch schmutzig. Die Mikrowelle war voller Pfotenabdrücke, weil die Katzen ständig darauf herumsprangen, und auf dem Fußboden neben der Waschmaschine lag krümeliger Hundekuchen. In den Ecken von Küche und Wohnzimmer sammelte sich der Staub. Unter dem Geschirrschrank entdeckte ich Katzendreck, schon ganz verschrumpelt und vertrocknet. Ich wischte ihn mit einer alten Ausgabe der Sun weg und atmete nur durch den Mund, bis ich alles sicher im Abfalleimer hatte.
    Kurz nach zwölf tauchte Sam auf.
    »Sommerferien!«, rief ich fröhlich und pfiff durch die Hintertür nach Fiasco.
    Sam antwortete nicht, sondern füllte wortlos den Wasserkessel. Ich schluckte meine gute Laune herunter und setzte mich neben ihn an den Tisch.
    »Sie haben Zuwachs bekommen«, sagte ich.
    Er zog mit dem Finger die Oberlippe hoch, so wie immer, wenn er so tat, als steckte ein Angelhaken darin.
    Wie jeden Sommer ließ er sein Haar länger wachsen. Es kräuselte sich im Nacken und stand überall vom Kopf ab. Matty war schlimmer in ihn verknallt als je zuvor. Sie behauptete, mit seinen langen Haaren sähe er aus wie ein Filmstar.
    »Es ist ein zweiter Wohnwagen da …«, sagte ich.
    »Reg dich ab«, erwiderte Sam. Er setzte den Wasserkessel so heftig ab, dass Wasser herausschwappte und zischend auf den gusseisernen Herd spritzte. »Dad ist richtig angepisst.«
    »Ich reg mich ja nicht auf«, sagte ich und ahmte seinen gelangweilten Tonfall nach. Ich kaute auf meiner Wange herum.
    »Ja. Dreckige Mistkerle. Wo, glaubst du, gehn die auf Klo?«
    Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht. In ihren Wohnwagen? Im Gebüsch? Im Bach? Gedankenverloren ließ ich die Füße unter dem Tisch baumeln.
    »Komm, lass uns nachschauen.«
    »Was nachschauen?«, fragte Sam geistesabwesend und kramte in der Speisekammer.
    »Wo die auf Klo gehen!«
    »Himmel!«, sagte er angewidert, und mir schoss das Blut ins Gesicht. »Hier ist immer alles leer! Was soll ich denn essen?«
    Ich schlug die Hände vors Gesicht, damit er meine roten Wangen nicht sah. »Frosties vielleicht?«
    »Frosties? Schon wieder?« Sam holte die Packung aus der Speisekammer und fischte eine Handvoll Cornflakes heraus. »Und weich sind sie auch noch. Jede Wette, du hast die Packung wieder nicht richtig verschlossen.«
    Ich ließ den Kopf gegen die Wand sinken.
    »Was hast du gesagt?«, fragte er kauend. »Du willst wissen, wo die Zigeuner ihren stinkenden Dreck loswerden? Hast du sie noch alle?«
    So wie er mich ansah, blieb mir nichts anderes übrig, als den Kopf zu schütteln.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher