Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wen das Feuer verbrennt (German Edition)

Wen das Feuer verbrennt (German Edition)

Titel: Wen das Feuer verbrennt (German Edition)
Autoren: Barbara Winter
Vom Netzwerk:
Raven Sinclair würde über kurz oder lang natürlich
auch das Interesse der englischen Damenwelt auf sich ziehen.
Zumindest ein paar höfische Aufwartungen und Annäherungsversuche
würde man von Sir Raven erwarten. Es konnte natürlich auch sein,
dass ihm die Damenwelt darin zuvor kam. Es galt ein gesundes
Mittelmaß zwischen Aufdringlichkeit und Zurückhaltung zu finden:
Über ein Zuviel an Aufwartung würde man sich genauso das Maul
zerreißen, wie über ein Zuwenig. Beides würde unerwünschte
Aufmerksamkeit erregen. Ravenna blieb also nichts anderes übrig, als
sich in ihr Schicksal zu fügen und auch diese Aufgabe zu meistern.
Sie konnte es sich zwar nicht wirklich vorstellen, wie sie je einer
anderen jungen Frau ernsthaft den Hof machen sollte, aber immerhin
besaß sie jetzt die theoretischen Fähigkeiten dazu. In welche Nöte
sie solch eine Situation bringen konnte...... daran wollte sie jetzt
noch nicht einmal denken!
    Je sicherer Ravenna
in ihrer Rolle als Mann wurde, desto mehr verschlechterte sich der
Gesundheitszustand ihres Vaters. Sein eiserner Wille ließ ihn genau
so lange durchhalten, bis er sicher war, dass Ravennas Verwandlung
wirklich gelungen war. Eines Abends rief er Ravenna an sein Bett und
überreichte ihr ein goldenes Amulett.
    „ Klapp
es auf!“ sagte er mit kaum hörbarer Stimme.
    Ravenna nahm es und
klappte es auf. Tränen schossen ihr in die Augen, als sie das
Bildnis der vier Menschen darin sah. Es waren Miniaturzeichnungen von
ihren Eltern, Raven und ihr, als sie noch Kinder von vielleicht fünf
und sechs Jahren gewesen waren.
    Ravenna drückte das
Amulett zutiefst gerührt an ihre Brust und schaute ihren Vater
dankbar an. Seine Hand umschloss kraftlos die ihre und er flüsterte
kaum hörbar: “Es gehört jetzt dir. Deine Mutter hat es mir kurz
vor ihrem Tode geschenkt. Nimm' es mit nach England in dein neues
Leben und schau nicht zurück, Ravenna, hörst du. Ich bin sicher du
findest dein Glück. Wir werden immer bei dir sein, egal wo du bist!“
Er versuchte nochmals ermutigend ihre Hand zu drücken, doch noch
während sie kraftlos nach unten sank, breitete sich ein friedlicher
Glanz auf seinem Gesicht aus. Um seine Lippen spielte ein leises,
aber glückliches Lächeln. Ravenna blieb verzweifelt und weinend an
seinem Totenbett zurück.

    Kapitel
4

    „ Bitte
hier entlang Sir Raven; Mrs. Stanton! Es hat etwas länger gedauert
als erwartet. Dafür sind Eure Gemächer jetzt bereit für Euch!“
Ravenna wurde jäh aus ihren Erinnerungen gerissen. Etwas irritiert
schaute sie auf den alten Butler, der sich als Johann vorgestellt
hatte. Er war nach einer Ewigkeit des Wartens aus den Tiefen von
Manor Garden wieder aufgetaucht. In seiner schief sitzenden Uniform
hinkte er schwerfällig vor ihnen her und bedeutete ihnen höflich
ihm zu folgen.
    Na endlich, dachte
Ravenna grimmig. Sie und Eliza warteten jetzt bestimmt schon seit
über einer halben Stunde in dieser großen, ungemütlichen
Empfangshalle von Manor Garden. Was für ein unmöglicher Empfang!
Hier auf Manor Garden war offenbar niemand auf ihre Ankunft
vorbereitet. Dabei hatte Ravenna bereits vor fünf Monaten, kurz vor
ihrer Einschiffung nach England, eine Depesche abgeschickt. Kein
guter Start in ein neues Leben, dachte Ravenna müde. Ihr Rücken und
ihre Füße schmerzten erbärmlich von der letzten, der vielen
zermürbenden Etappen ihrer fast fünf Monate währenden Reise von
Indien nach England. Die letzten zwölf Stunden hatten sie und Eliza
in einer viel zu engen und unkomfortablen Kutsche, in Gesellschaft
eines dicken, schwitzenden Kaufmanns und seiner klatschsüchtigen
Ehefrau verbringen müssen. Manor Garden mochte ein
hochherrschaftliches Anwesen sein, aber es lag am Ende der Welt und
der Weg dorthin war ein einziges, großes Schlagloch.
    Ravenna verbot sich
jeden weiteren Gedanken an den nicht standesgemäßen Empfang hier im
Haus und folgte stattdessen dem alten Butler. Dieser zog an einem
Glockenzug und kurz darauf stand ein verschlafener Bursche mit wirr
abstehenden Haaren schief grinsend vor ihnen.
„William, bring'
das Gepäck von Sir Raven und Mrs. Stanton bitte in die grüne
Suite,“ wies der alte Butler den Burschen an.
„Bitte
entschuldigt vielmals die Umstände, Sir Raven, aber Eure plötzliche
Ankunft hat uns etwas überrascht. Eure Depesche hat Duke Nicolas
leider nicht erreicht, obschon er um Euren geplanten Aufenthalt auf
Manor Garden weiß!“ Ravenna hielt es für besser zu schweigen.
Stattdessen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher