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Wen das Feuer verbrennt (German Edition)

Wen das Feuer verbrennt (German Edition)

Titel: Wen das Feuer verbrennt (German Edition)
Autoren: Barbara Winter
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Die,
die ich kenne, leben alle noch...“ sagte er mit heiserer Stimme.
Seine Augen waren schwarz vor Verlangen. Ravenna wußte, mit Worten
konnte sie ihn nicht mehr erreichen.....

    Kapitel
1

    England 1767 , Grafschaft Avalon
    Nervös
kontrollierte Ravenna zum wiederholten Mal ihre Kleidung. Sie schaute
an sich herunter. Es überraschte sie immer noch, wie viel Freiheit
ein paar einfache Beinkleider gewährten. Wie leicht alles war! Kein
Korsett, dass einem den Atem nahm. Kein schwerer, raschelnder Stoff,
der sich lästig zwischen den Beinen verfing, kein Keuchen beim
Treppensteigen.
    Ach, es war eine
Wohltat – vor allem auf so einer langen Reise! Typisch, dachte
Ravenna pikiert. Selbst bei der Kleidung hatten Männer die Lust und
Frauen die Last. Bei den himmelschreienden Ungerechtigkeiten ihrer
Zeit stieg ihr wieder einmal die Zornesröte ins Gesicht.
    Nervös durchschritt
sie bereits zum zweiten Mal die riesige, vor Prunk strotzende
Empfangshalle von Manor Garden, dem Stammsitz des Duke of Avalon.
Wohin ihr Blick auch fiel: Es hatten offenbar nur feinste und edelste
Materialien Gnade vor den Augen der Erbauer gefunden. Bester Marmor
aus Italien, polierte Silberspiegel aus Böhmen, aufwendig verzierte
Mahagonimöbel aus Frankreich. An den Wänden hingen unzählige
Portraits von Männern und Frauen vorangegangener Eden-Generationen,
die hochmütig auf Ravenna herabzustarren schienen. Alles hier war
groß, prächtig und sehr beeindruckend.
    Ravenna verscheuchte
ihr leichtes Unbehagen und musterte sich stattdessen neugierig und
nicht ohne eine gewisse Eitelkeit in einem der deckenhohen
Prunkspiegel. Was sie sah gefiel ihr ausnehmend gut. Da stand ein
junger, sehr gut gekleideter Edelmann, dessen schmächtige Statur
geschickt von einer dunkelblauen Kniehose, grauer Brokat-Weste und
passendem Gehrock kaschiert wurde. Ein voluminöses Rüschenhemd ließ
nicht im geringsten erahnen, dass sich darunter zwei üppige Brüste
verbargen. Die schlanken Beine steckten in feinen Baumwollstrümpfen
und schwarzen Schnallenschuhen. Das bartlose Gesicht wirkte noch sehr
jungenhaft, Kinn und Nase zeugten jedoch von Charakter und
Willensstärke. Die grün-gesprenkelten Augen waren von einem Kranz
dichter schwarzer Wimpern umgeben und leuchteten bei Wutanfällen wie
die eines Berglöwen. Das Auffallendste im Gesicht des jungen Dandys
aber war sein überaus verführerischer Mund. Er hatte die perfekte
Form eines Kußmundes und erinnerte stark an den Lippenschwung der
berühmten Boticelli-Engel. Die Lippen waren für einen Mann
ungewöhnlich voll und weich. Die Haut des jungen Mannes wies
keinerlei Makel auf. Die indische Sonne und vier Monate auf hoher See
hatten allerdings auf seinen Wangen einen frischen Schimmer
hinterlassen. Die weiße Perücke war perfekt gekämmt, der Scheitel
saß mittig, im Nacken war der Zopf mit einem schwarzen Samtband
geknotet. Alles in allem stand da ein gut aussehender,
selbstbewusster junger Mann.
    Ravenna
war zufrieden mit ihrem Anblick. Sie hatte unendlich viel Zeit und
Mühe darauf verwandt, um dieser perfekte junge Mann zu werden,
dessen Spiegelbild sie eben kritisch gemustert hatte: Ja, sie war
durch und durch Baronet Sir Raven Sinclair Byam, der letzte und
rechtmäßige Erbe des Landguts Timbergrove .
    Dass sie ein sehr
gefährliches Spiel spielte war Ravenna bewusst, doch sie verdrängte
den Gedanken lieber. Diese Maskerade konnte sie für viele Jahre in
den Kerker, wenn nicht sogar aufs Schafott bringen. Denn sie verstieß
damit gegen sämtliche Standesgesetze der englischen Krone. Aber
Ravenna hatte keine andere Wahl! Es war für sie und ihre treue alte
Kinderfrau Eliza die einzige Möglichkeit sorgenfrei und standesgemäß
weiterleben zu können.
    Die Maskerade war
gewagt, ja, aber mit etwas Glück fand sich über kurz oder lang
vielleicht eine bessere, weniger gefährliche Lösung. Zur Zeit
jedoch hatten weder Ravenna noch ihre treue Kinderfrau Eliza die
blasseste Ahnung wie eine solche Lösung aussehen konnte. Aber ohne
diesen Rollentausch stünden sie morgen schon in der Gosse. Allein
dieser Gedanke ließ Ravenna innerlich erschaudern. Nein, dann doch
lieber als Mann durchs Leben gehen, mit allen Rechten und noch mehr
Möglichkeiten! Selbst wenn sie die Rolle des Sir Raven Sinclair Byam
bis ans Ende ihrer Tage spielen musste.
    Innerlich haderte
sie zum hundertsten Mal mit den Ungerechtigkeiten ihrer Zeit. Warum
waren Mädchen von der Erbfolge ausgeschlossen? Waren Frauen wirklich
dümmer
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