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Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)

Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)

Titel: Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)
Autoren: Sarah Harvey
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Kapitel 1
    Das Leben ist wie ein Pfeffersteak, sinniere ich und spiele mit den verkohlten Überresten des Hornviechs auf meinem Teller. Da meint man, der ganze Mist obendrauf sei gut, aber schmeckt das Teil dadurch wirklich besser?
    Ich blicke auf und sehe meinen Verlobten Richard, der mir gegenüber sitzt.
    Gerade ist er dabei, den Ober von oben herab zu behandeln.
    Richard behandelt jeden von oben herab, ein ausgezeichneter Trick für jemanden, der so klein ist. Klein von Statur, kleingeistig und, kaum wage ich es zu sagen … nun, sagen wir einfach, auch andere, ziemlich wichtige Bereiche fallen bei ihm klein aus.
    Richard ist meine Pfeffersoße, meine Garnierung, mein sich ringelndes Stück Lollo Rosso, das am Tellerrand klebt. Sieht ja recht appetitlich aus, schmeckt aber bemerkenswert bitter. Als kleiner Mann umgibt sich Richard ganz besonders gern mit großen Dingen. Große Wohnung (Penthouse, klar), großes Auto, große Brieftasche und das entsprechend große Selbstbewusstsein.
    Er ist ein Idiot, aber meine Mutter liebt ihn. Ich habe genau ein Jahr, acht Monate und sechs Tage gebraucht, um festzustellen, dass ich ihn nicht liebe. Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr. Machen Sie ein Jahr, acht Monate, sechs Tage, drei Stunden und dreizehn Minuten daraus. Die Sekunden lasse ich weg, ich habe sowieso schon zu viel Zeit vergeudet. Ich stehe auf und greife nach meiner Handtasche.
    Richard lächelt flüchtig. Er rechnet mit einem weiteren Besuch auf der Damentoilette, um mich für ihn herauszuputzen. Ich würde ihn als Ego-Hedonisten bezeichnen – nur an seinem eigenen Vergnügen interessiert. Er ist vergnügungssüchtig, aber nicht vergnüglich. In Richards Leben kreist alles um … Richard.
    Er hat sein ganzes Leben sich selbst gewidmet und erwartet von allen anderen in seiner Umgebung, seinem Beispiel zu folgen. Genau das mache ich heute Abend. Und er hat gnädig befunden, dass ich zum Anbeißen aussehe.
    Herausputzen: dieses Wort berauscht und erregt ihn. Das ganze Drumherum, die Kerzen im Restaurant und der teure Wein, ist eine Farce, die seiner Meinung nach den Schlüssel zum zweiten Teil des Abends enthält, zum wichtigen Teil des Abends, zum sexuellen Teil des Abends. Seine Belohnung dafür, dass er das Gelaber, die Langeweile und das nervige, peinlich genau durchgeführte Werberitual hinter sich gebracht hat.
    Ich öffne meine Handtasche. In dem Durcheinander aus zerknüllten Taschentüchern, Kleingeld, Schlüsseln, angeknabberten Lippenstiften und Röhren mit vertrockneter Wimperntusche liegt eine Packung Kondome.
    Mit Noppen.
    Auch meine Gedanken schweifen zum späteren Teil des Abends, wo ich wie üblich werde versuchen müssen, Richards kleinen Pimmel irgendwie in einen geringfügig größeren Pimmel zu verwandeln, während Richard sich mit diesem selbstgefälligen Grinsen auf dem Gesicht zurücklehnt, als würde er mir eine große Ehre zuteil werden lassen.
    Meine Entschlossenheit wächst. Ich atme tief durch und taste in meiner Tasche nach den Schlüsseln zu Richards Wohnung, den Schlüsseln zu Richards Leben.
    »Richard«, probe ich im Kopf, »ich will nicht mehr mit dir zusammensein, und ich gehe jetzt.«
    Ich öffne den Mund.
    »Richard …«, vernehme ich meine eigene Stimme, die sich jedoch anhört, als käme sie aus weiter Ferne. »Ich will nicht … äh … ich will nicht.«
    »Was willst du nicht?«, schnauzt er mich an, verärgert darüber, dass ich stotternd seine Beschwerde über das Essen unterbrochen habe.
    Wieder öffne ich den Mund, doch diesmal kommt gar nichts heraus.
    »Also?«, drängt er gereizt, weil er es eilig hat, den eingeschüchterten kleinen französischen Ober weiter runterzuputzen.
    »Ich will nichts zum Nachtisch, und ich muss mal.«
    Atemlos stoße ich die Worte hervor und schiebe meinen Stuhl zurück. Dann stürze ich quer durch das Restaurant, als stünde mein Hintern in Flammen. Dabei sind die einzigen Backen, die brennen, die in meinem Gesicht.
    Auf der Toilette lehne ich meine glühende Stirn gegen den Spiegel und beobachte, wie die glatte, makellos saubere Fläche unter meinem Atem beschlägt. In dem unscharfen Spiegelbild kann ich mein Gesicht erkennen, das vertraut und doch völlig fremd wirkt. Warum sieht man eigentlich nie so aus, wie man glaubt auszusehen? Manchmal komme ich an meinem eigenen Spiegelbild vorbei und lächele, weil die Person, die meinen Blick erwidert, mir vage bekannt vorkommt. Ich starre die seltsamen dunklen Augen an, die
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