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Weltraumpartisanen 19: Astropolis

Weltraumpartisanen 19: Astropolis

Titel: Weltraumpartisanen 19: Astropolis
Autoren: Mark Brandis
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1.
    Der 5. November des Jahres 2082 war ein Tag, an dem Geschichte gemacht wurde. Darin waren sich alle Berichterstatter einig. Ein neues Kapitel in der Kolonisierung des Raumes wurde aufgeblättert.
    Die VEGA – wie sich die autonome Weltraumbehörde der Drei Vereinigten Kontinente »Venus – Erde, Gesellschaft für Astronautik« kurz nannte – hatte in Metropolis zu einer abschließenden Pressekonferenz geladen, um das Projekt PL 01 Astropolis der Öffentlichkeit zu übergeben, und so gut wie alle Zeitungen und Sendeanstalten des Landes waren dem Ruf gefolgt. Selbst die zurückhaltenden Vereinigten Orientalischen Republiken (VOR) hatten ihre wichtigsten Korrespondenten in die meerumspülte künstliche Hauptstadt der EAAU entsandt.
    Der große Konferenzsaal der VEGA glich einem modernen Babel: Alle Hautfarben, alle Temperamente und alle Sprachen dieser Erde waren vertreten. Alte, tief eingewurzelte Feindschaften und Vorurteile waren an diesem Tage wie weggewischt. Ich konnte sehen, wie Walter Felsenstein, der Programmdirektor der Stella-TV, den Herausgeber des Pekinger Massenblattes Die Stimme Asiens, Hung Wang Fu, brüderlich einhakte, während anderswo der koreanische Presseattache der VOR-Botschaft mit der spitzzüngigen Kolumnistin Jeanne Richelieu unbekümmert plauderte, obwohl sie erst kürzlich geäußert hatte, der zivilisatorische Stand in den VOR hinke um ein Jahrhundert hinter der Zeitrechnung her.
    Freilich – man sollte sich nichts vormachen! Hinter der Liebenswürdigkeit der Asiaten standen handfeste Interessen. Mehr noch als die zur EAAU zusammengeschlossenen Kontinente Europa, Amerika und Afrika einschließlich des assoziierten Mitglieds Australien hatten die asiatischen Völker unter dem Weltproblem Nr. 1, der Bevölkerungsexplosion, zu leiden. Selbst mit geradezu drakonischen Maßnahmen, die das Wachstumsproblem regeln sollten, gelang es ihnen nicht, die immer größer werdende Kluft zwischen menschlicher Fruchtbarkeit und landwirtschaftlicher Produktion zu schließen. Während die EAAU bei der Aufteilung des planetarischen Kuchens – um es mit einem gängigen Jargonausdruck zu sagen – die schnellere Hand bewiesen hatte, verfügten die VOR über keinerlei Kolonien im Raum, die ihnen hätten Entlastung verschaffen können.
    Das Projekt Astropolis, mit dem man sich in der Besiedelung des Raumes unabhängig zu machen gedachte von natürlichen Quellen, fand darum ihre besondere Aufmerksamkeit, so daß man getrost annehmen durfte, daß nicht unbedingt jeder Inhaber eines Presseausweises der VOR auch journalistisch brillant zu schreiben verstand.
    John Harris als der Direktor der VEGA, die bis zu diesem Augenblick noch für das Projekt Astropolis verantwortlich zeichnete, eröffnete die Pressekonferenz mit einem einleitenden Vortrag. Er zitierte Bevölkerungszahlen und landwirtschaftliche Produktionsziffern und zog daraus die Folgerung: »Wenn wir also nicht tatenlos zusehen wollen, meine Damen und Herren, wie die Menschheit – in diesem Fall die Einwohnerschaft der Drei Vereinigten Kontinente – immer mehr in die Gefahr gerät, an sich selbst zu ersticken, müssen wir zwangsläufig nach Mitteln und Wegen Ausschau halten, um dem vorzubeugen. Um es noch einmal zu vergegenwärtigen: Allein auf dem Territorium der EAAU leben heute 6,7 Milliarden Menschen mit einer jährlichen Zuwachsrate von zwei Prozent – und alle diese Menschen haben einen Anspruch auf Brot und ein sinnvolles Dasein im Rahmen unserer Gesellschaft …«
    Für den grauhaarigen einarmigen Direktor der VEGA mit dem kühlen, beherrschten Gesicht eines britischen Seeoffiziers in klassischer Zeit war dieser Tag – man spürte es – die Sternstunde seines Lebens. Auf diesen großen Tag hatte er hingearbeitet, seitdem er der politischen Karriere in einem einsamen Entschluß ein Ende gesetzt hatte, die ihn, den Raumhelden und angesehenen Widerstandskämpfer aus der Epoche des Bürgerkrieges, bis auf den Präsidentenstuhl der EAAU geführt hatte. John Harris’ Welt waren die Sterne, unter denen er seine besten Jahre verbracht hatte, und an der Losung, daß die Zukunft der menschlichen Zivilisation im Weltraum läge, hielt er nicht minder eisern fest wie einst ein deutscher Kaiser an seiner Behauptung, Deutschlands Zukunft läge auf dem Wasser. Was John Harris von Wilhelm II. unterschied, war die Tatsache, daß er ganz sicher kein Machtmensch war.
    Die Warren-Lehre, die in den letzten Jahren erhebliches Aufsehen erregt hatte – vor
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