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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman
Autoren: Heyne
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erfahren?«
    »Doch. Wir haben schon so lange nicht mehr miteinander gesprochen, ich kann es gar nicht erwarten.«
    »Gerüchten zufolge wollen Sie den Rat spalten.« »Das übersteigt meine Kräfte, meine Liebe. Außerdem werden Sie wohl feststellen, dass er schon gespalten ist.«
    »Wenn es so ist …«
    »Es ist so, glauben Sie mir.«
    »Wenn es so ist,dann ist das zum größten Teil Ihre Schuld.«
    »Wie gesagt, Sie schmeicheln mir und überschätzen mich.«
    »Die Leute, mit denen ich geredet habe, erzählen mir etwas anderes.«
    »Ratsmitglieder? Wer?«
    Mrs. Mulverhill blieb stumm.
    Es entstand eine längere Pause, in der Madame d’Ortolan das lange Kabel des Nebenanschlusses in der Orangerie um ihren längsten Finger wickelte.
    Nach einer Weile kam ein Seufzen aus dem Hörer, und Mrs. Mulverhill fragte: »Also, wie sieht es in der Sache aus?«
    »Wie es aussieht?«, erwiderte Madame d’Ortolan unschuldig.
    »Was haben Sie vor?« Mrs. Mulverhills Stimme klang plötzlich scharf.
    »Ich denke, die Angelegenheit muss erledigt werden.«
    Leichtes Zögern, dann: »Das steht hoffentlich noch nicht fest. Es wäre die falsche Entscheidung.«
    »Meinen Sie?«

    »Allerdings.«
    »Wie schade, dass Sie uns Ihre Auffassung nicht schon früher mitgeteilt haben, ehe die Entscheidung getroffen wurde.«
    »Theodora«, antwortete Mrs. Mulverhill munter, »tun Sie bitte nicht so, als würden Sie irgendeinem Einwand von mir auch nur die geringste Beachtung schenken.«
    »Trotzdem haben Sie mich jetzt angerufen, meine Liebe, und zwar, wie ich annehme, in der Absicht, eben diese Entscheidung zu beeinflussen, nachdem sie bereits gefallen ist. Ist es nicht so?«
    Kürzeres Zögern, dann: »Ich appelliere an Ihren Sinn fürs Pragmatische.«
    »Nicht für Moral, Anstand, Gerechtigkeit?«
    Mrs. Mulverhill lachte zart. »Sie sind ein Spaßvogel,Theodora.«
    »Im Gegenteil, ich sehe mich eher als Tragödin.«
    »Ja, davon habe ich schon gehört.«
    »Und Sie, als was sehen Sie sich? Als Zirkusclown?«
    »Das ist mir völlig egal.«
    »Nun, dann vielleicht als … Statistin, oder?«
    »Theodora, es reicht. Ich bitte Sie, überlegen Sie es sich nochmal.«
    »Na schön: Kulissenschieber.«
    Eine Stille, die Madame d’Ortolan als »angespannt« bezeichnet hätte, trat ein.
    Danach klang es, als würde Mrs. Mulverhill durch zusammengebissene Zähne sprechen. »Ich bemühe mich um eine ernsthafte Diskussion, Theodora.«
    »Der Kampf gegen Widerstände soll ja sehr charakterbildend sein.«
    »Theodora!« Mrs. Mulverhill erhob die Stimme und senkte
sie sogleich wieder. »Theodora, ich bitte Sie, lassen Sie es.«
    »Was?«
    »Den entscheidenden Schritt zur Spaltung, den Sie vorhaben. Es wäre ein Fehler.«
    »Herrgott nochmal!« Madame d’Ortolan verlor allmählich die Geduld. Sie beugte sich in ihrem Rohrsessel nach vorn und schnippte das verdrehte Telefonkabel von der linken Hand. »Alors, meine Süße, meine Hübsche! Wieso kümmern Sie sich eigentlich um das Schicksal von Menschen, von denen Sie sich bereits abgewandt haben? Menschen, die Sie bekämpfen, weil Sie den Rat bekämpfen.Was liegt Ihnen an zwei heuchlerischen, grinsenden Mischlingen und einer lesbischen Negerin?« Ihr fiel etwas ein, und sie strahlte. »Außer Sie finden sie aufregend, unsere dunkelhäutige Freundin - so gut getarnt im Finstern. Nachts würde man kaum merken, dass sie im Bett ist, nicht wahr? Solange sie nicht lächelt, jedenfalls. Erzählen Sie mir nicht, Sie sind eine geheime Bewunderin. Sollten wir da zufällig ins Schwarze getroffen haben?«
    Wieder vielsagendes Schweigen und schließlich: »Du widerliche, alte Rassistin.«
    Und dann hatte sie aufgelegt! Einfach so! Was für ein dreistes Weibsstück!
    Madame d’Ortolan war sich nicht sicher, wer bei dem Wortwechsel die Oberhand behalten hatte. Eigentlich hatte sie bis zum Schluss das Gefühl gehabt, besser als ihre Gegnerin abzuschneiden, doch dann hatte diese Mulverhill kurzerhand das Gespräch beendet, und das fiel natürlich ins Gewicht. Äußerst unerquicklich. Und auch noch als Rassistin beschimpft zu werden! Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, was Mrs. Mulverhill selbst wohl in dieser Hinsicht
zu verbergen hatte. Zum Beispiel trug sie stets einen Schleier. Madame d’Ortolan hatte immer eine gewisse Affektiertheit dahinter vermutet, aber vielleicht wollte die Dame damit kaschieren, dass sie nicht ganz reinrassig war, was die menschliche Rasse insgesamt anlangte. Man wusste ja nie.
    Trotzdem, sie
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