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Weit wie das Meer

Weit wie das Meer

Titel: Weit wie das Meer
Autoren: Nicholas Sparks
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Ortes achtlos liegengelassen worden war. Theresa blickte sich um, erspähte einen Abfalleimer, der an einen Rettungsschwimmer-Turm gekettet war, und fand, dies sei eine Gelegenheit für die gute Tat des Tages. Beim Bücken stellte sie erstaunt fest, daß die Flasche zugekorkt war. Sie hob sie auf, hielt sie gegen das Licht und entdeckte ein Papier darin.
    Einen Augenblick fühlte sie ihr Herz schneller schlagen, denn eine Erinnerung stieg in ihr auf. Als sie acht gewesen war, hatte sie mit ihren Eltern ihre Ferien in Florida verbracht. Dort hatte sie mit einer Freundin eine Flaschenpost losgeschickt, aber nie eine Antwort erhalten. Die Botschaft war ein einfacher Kinderbrief gewesen, aber zu Hause war sie dann wochenlang zum Briefkasten gelaufen in der Hoffnung, daß jemand die Flasche gefunden und ihr von dem Ort, wo sie an Land gespült worden war, zurückgeschrieben hätte. Als kein Brief kam, war die Enttäuschung groß, doch langsam verblaßte die Erinnerung, bis sie ganz ausgelöscht war. Aber jetzt fiel ihr alles wieder ein. Wer war diese Freundin gewesen? Ein Mädchen ihres Alters… Tracy?… Nein… Stacey?… Ja, Stacey! Stacey war ihr Name! Sie hatte ihre Ferien bei ihren Großeltern verbracht… und… doch an mehr konnte sie sich nicht erinnern, so sehr sie sich auch bemühte.
    Sie begann an dem Korken zu ziehen. Fast erwartete sie, daß es die Flasche war, die sie damals ins Meer geworfen hatte, auch wenn sie wußte, daß es Unsinn war. Sicher kam sie von einem Kind, und sie würde ihm gerne antworten, vielleicht mit einem kleinen Souvenir von Cape Cod oder einer Ansichtskarte.
    Der Korken steckte sehr fest, und ihre Finger glitten mehrmals ab, als sie versuchte, ihn herauszuziehen. Sie grub ihre kurzen Fingernägel in den vorstehenden Teil und drehte die Flasche langsam herum. Nichts. Mit der anderen Hand versuchte sie es noch einmal. Sie klemmte die Flasche zwischen die Knie, griff noch fester zu, und als sie fast schon aufgeben wollte, gab der Korken ein wenig nach. Sie wechselte erneut die Hände, packte mit frischer Kraft zu… drehte langsam die Flasche… der Korken bewegte sich… noch ein wenig mehr… und plötzlich lockerte er sich und glitt leicht heraus.
    Sie drehte die Flasche um und war erstaunt, daß das Papier sofort vor ihr in den Sand fiel. Als sie sich danach bückte, sah sie, warum: Der Brief war fest zusammengerollt und mit einem Faden umwickelt.
    Vorsichtig löste sie den Faden, und das erste, was ihr beim Aufrollen der Nachricht auffiel, war das Papier. Das war kein Kinder-Briefbogen, sondern kostbares Briefpapier, dick und fest, mit der Prägung eines Segelschiffs in der oberen rechten Ecke. Und es sah alt aus, fast als wäre es schon hundert Jahre im Meer gewesen.
    Sie fühlte, wie ihr der Atem stockte. Vielleicht war es tatsächlich alt. Das war durchaus denkbar - schließlich gab es Geschichten von Flaschen, die nach hundert Jahren an Land gespült wurden. Als sie jedoch die Schrift betrachtete, wurde ihr klar, daß sie sich getäuscht hatte. In der oberen rechten Ecke des Blatts stand ein Datum.
    22. Juli 1997
    Etwas über drei Wochen.
    Drei Wochen? Nicht mehr?
    Sie schaute den Brief genauer an. Er war lang, erstreckte sich über beide Seiten des Blattes und schien keine Antwort zu erwarten. Nirgends war eine Adresse oder Telefonnummer angegeben.
    Plötzlich erwachte ihre Neugier, und so begann sie im Licht der aufgehenden Sommersonne, den Brief zu lesen, der ihr Leben für immer verändern sollte.
     
    22. Juli l997
    Meine liebste Catherine!
     
    Du fehlst mir, mein Liebling, wie immer, aber heute ist es besonders schmerzlich, weil das Meer mir das Lied unseres Lebens gesungen hat. Ich kann Dich fast neben mir spüren und den Duft wildwachsender Blumen riechen, der mich immer an Dich erinnert, während ich diesen Brief schreibe. Doch in diesem Augenblick bereiten mir diese Dinge keine Freude. Deine Besuche werden immer seltener, und manchmal ist mir, als würde der größte Teil meines Ichs langsam dahinschwinden.
    Dabei gebe ich mir durchaus Mühe. Nachts, wenn ich allein bin, rufe ich nach Dir, und wenn mein Schmerz am größten ist, scheinst Du immer noch einen Weg zu finden, um zu mir zurückzukehren. Gestern nacht sah ich Dich in meinen Träumen auf der Mole am Strand von Wrightsville. Der Wind zerzauste Dein Haar, und Deine Augen fingen das schwindende Sonnenlicht auf. Ich bin hingerissen, wie ich Dich so am Geländer lehnen sehe. Du bist wunderschön. Ich gehe
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