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Weit wie das Meer

Weit wie das Meer

Titel: Weit wie das Meer
Autoren: Nicholas Sparks
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hatte es schon gewußt, als sie ihn das erste Mal im Yachthafen gesehen hatte, und sie wußte es jetzt. Weder die Zeit, die verging, noch sein Tod vermochten etwas an ihren Gefühlen zu ändern. Sie schloß die Augen.
    »Du fehlst mir so sehr, Garrett Blake«, sagte sie sanft. Und für einen Moment stellte sie sich vor, er könnte ihre Stimme hören, denn der Wind erstarb plötzlich, und alles war still. Dann fielen die ersten Tropfen, und sie öffnete rasch die schlichte Glasflasche, die sie fest umklammert gehalten hatte. Sie holte den Brief hervor, den sie am Vortag geschrieben hatte und den auf den Weg zu schicken sie hergekommen war. Sie rollte ihn auf und hielt ihn in ihren Händen, genauso wie den ersten Brief, den sie gefunden hatte. Das schwache Licht reichte kaum, um die Worte zu lesen, aber sie kannte sie längst auswendig. Ihre Hände zitterten leicht, als sie zu lesen begann.
     
    Mein Liebling!
    Ein Jahr ist vergangen, seit ich mit Deinem Vater in der Küche saß. Jetzt ist später Abend, und obwohl mir die Worte schwer aus der Feder fließen, habe ich das Gefühl, daß es an der Zeit ist, Deine Frage zu beantworten.
    Natürlich verzeihe ich Dir. Ich verzeihe Dir jetzt und habe Dir schon verziehen, als ich Deinen Brief las. Meinem Herzen blieb keine andere Wahl. Es war schwer genug, Dich einmal zu verlassen - es ein zweites Mal zu tun, wäre mir nicht möglich; dazu liebe ich Dich zu sehr. Zwar trauere ich dem, was hätte sein können, immer noch nach, aber ich danke Dir dafür, daß Du, wenn auch nur für kurze Zeit, in mein Leben getreten bist. Anfangs glaubte ich, daß ich vom Schicksal zu Dir geführt wurde, um Dir in Deinem Schmerz beizustehen, jetzt aber, ein Jahr später, beginne ich zu verstehen, daß es ganz anders ist.
    Seltsamerweise bin ich jetzt in der gleichen Lage wie Du damals - und während ich schreibe, quält mich die Erinnerung an einen Menschen, den ich liebe und den ich verloren habe. Jetzt kann ich die Qualen, die Du durchgemacht hast, erst richtig verstehen, und ich begreife, wie schmerzvoll es für Dich gewesen sein muß, weiterzumachen. Manchmal ist mein Kummer kaum zu ertragen, und obwohl ich weiß, daß wir uns nie wiedersehen werden, möchte ein Teil von mir Dich für immer festhalten. Denn einen anderen zu lieben würde meine Erinnerung an Dich verblassen lassen. Es ist irgendwie paradox: Obwohl ich Dich so sehr vermisse, fürchte ich die Zukunft nicht - um deinetwegen. Durch Deine Liebe hast Du mir Hoffnung gegeben. Du hast mich gelehrt, daß das Leben weitergeht, wie groß der Schmerz auch ist. Und auf Deine Art hast Du mir den Glauben gegeben, daß sich wahre Liebe nicht leugnen läßt.
    Jetzt bin ich wohl noch nicht bereit, aber die Wahl steht mir offen. Mach Dir keine Vorwürfe, denn weil es Dich gibt, kann ich hoffen, daß der Tag kommen wird, an dem meine Trauer etwas Schönem weichen wird. Deinetwegen habe ich die Kraft weiterzuleben.
    Ich weiß nicht, ob die Toten auf die Erde zurückkehren und sich unbemerkt von denen, die sie lieben, umherbewegen können, aber wenn sie es können, dann weiß ich, daß Du immer bei mir sein wirst. Im Rauschen des Meeres werde ich Deine Stimme vernehmen, in jedem Windhauch wird Dein Geist meine Wange liebkosen. Wer auch immer in mein Leben treten wird, Du wirst stets bei mir bleiben. Dein Geist wird mich in eine mir noch unbekannte Zukunft geleiten.
    Dies, mein Liebling, ist kein Abschiedsgruß, es ist mein Dank an Dich. Ich danke Dir, daß Du mein Leben bereichert hast, daß Du mich geliebt und meine Liebe angenommen hast. Danke für die Erinnerungen, die ich stets bewahren werde. Doch vor allem danke ich Dir, weil Du mich gelehrt hast, daß eine Zeit kommen wird, da ich Dich loslassen kann.
    Ich liebe Dich,
    T
     
    Nachdem Theresa den Brief ein letztes Mal gelesen hatte, steckte sie ihn aufgerollt in die Flasche und verkorkte sie. Sie drehte sie noch einmal in der Hand und wußte, daß der Kreis sich geschlossen hatte. Schließlich warf sie die Flasche so weit wie möglich ins Meer hinaus.
    In diesem Augenblick kam ein starker Wind auf, und die Nebel teilten sich. Theresa stand da und sah gebannt zu, wie die Flasche langsam fortgetrieben wurde. Und obwohl sie wußte, daß es unmöglich war, stellte sie sich vor, daß die Flasche niemals an irgendein Ufer gespült würde. Daß sie für immer durch die Welt reisen würde, vorbei an fernen Orten, die sie, Theresa, niemals kennenlernen würde.
    Als die Flasche schließlich nicht mehr
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