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Weit wie das Meer

Weit wie das Meer

Titel: Weit wie das Meer
Autoren: Nicholas Sparks
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als das Boot bereits im Windschatten der Bucht war, stolperte Banes beim Rauchen einer Zigarette über die Flasche. Er hob sie auf, konnte aber im Licht der eben untergegangenen Sonne nichts Außergewöhnliches erkennen, warf sie achtlos über Bord und bewirkte so, daß sie vor einem der vielen kleinen Orte, die die Bucht säumten, ans Ufer gespült wurde.
    Das geschah jedoch nicht sofort. Die Flasche trieb noch mehrere Tage hin und her, als zögere sie, einen Kurs einzuschlagen, und wurde schließlich an den Strand von Chatham gespült.
    Nach achtundzwanzig Tagen, in denen sie siebenhundertachtunddreißig Meilen zurückgelegt hatte, war ihre Reise beendet.

1. Kapitel
    Ein kalter Dezemberwind blies, und Theresa Osborne blickte mit vor der Brust gekreuzten Armen aufs Meer hinaus. Als sie zum Strand gekommen war, waren noch ein paar Leute am Wasser entlangspaziert, aber dann hatten sie die Wolken aufziehen sehen und waren schon vor einer ganzen Weile fortgegangen. Jetzt war sie ganz allein am Strand und nahm die Umgebung in sich auf. Das Meer, das die Farbe des Himmels widerspiegelte, sah aus wie flüssiges Blei, und die Wellen rollten gleichmäßig an die Küste. Schwere Wolken sanken langsam herab, der Nebel wurde dichter und verhüllte den Horizont. An einem anderen Ort zu einer anderen Zeit hätte Theresa die Erhabenheit der Schönheit ringsum wahrgenommen, aber als sie jetzt dastand, wurde ihr klar, daß sie überhaupt nichts empfand. Irgendwie hatte sie das Gefühl, als wäre sie gar nicht wirklich hier, als wäre alles nur ein Traum.
    Sie war heute morgen hierhergekommen, konnte sich aber kaum mehr an die Fahrt erinnern. Als sie sich dazu entschloß, hatte sie geplant, über Nacht zu bleiben. Sie hatte die notwendigen Vorkehrungen getroffen und sich sogar auf eine ruhige Nacht fern von Boston gefreut, doch als sie jetzt das Meer schäumen und brodeln sah, wurde ihr klar, daß sie nicht bleiben wollte. Sie würde heimfahren, sobald sie erledigt hatte, weshalb sie hergekommen war, ganz gleich, wie spät das sein würde.
    Langsam ging sie aufs Wasser zu. Unterm Arm trug sie eine Tasche, die sie am Morgen sorgfältig gepackt hatte. Sie hatte niemandem gesagt, was sie bei sich trug, geschweige denn, was sie vorhatte. Statt dessen hatte sie vorgegeben, ihre Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Das war die beste Ausrede, denn obwohl sie wußte, daß alle Verständnis für die Wahrheit gehabt hätten, wollte sie mit niemandem über diese Reise sprechen. Sie hatte die Sache allein begonnen und wollte sie auch allein beenden.
    Theresa seufzte und sah auf die Uhr. Bald würde die Flut kommen, und dann würde sie bereit sein. Nachdem sie ein Fleckchen gefunden hatte, das bequem aussah, setzte sie sich in den Sand und zog den Reißverschluß ihrer Tasche auf. Sie wühlte darin und fand den Umschlag, den sie suchte. Sie holte tief Luft und öffnete ihn langsam.
    Darin waren drei Briefe, sorgsam gefaltet, Briefe, die sie schon unzählige Male gelesen hatte. Sie hielt sie vor sich auf den Knien und starrte darauf.
    In der Tasche befanden sich noch andere Gegenstände, doch sie war noch nicht bereit, sich ihnen zu widmen, sondern hielt ihr Augenmerk weiter auf die Briefe gerichtet. Er hatte sie mit einem Füllfederhalter geschrieben, und an mehreren Stellen waren Tintenkleckse zurückgeblieben. Das Briefpapier mit der Zeichnung eines Segelschiffs in der rechten oberen Ecke begann sich stellenweise zu verfärben und langsam zu verbleichen. Sie wußte, der Tag würde kommen, da die Worte nicht mehr lesbar wären, aber sie hoffte, in Zukunft nicht mehr das Bedürfnis zu haben, sie zu betrachten.
    Schließlich ließ sie die Briefe so behutsam, wie sie sie herausgezogen hatte, zurück in den Umschlag gleiten. Und nachdem sie den Umschlag wieder in die Tasche gesteckt hatte, ließ sie den Blick erneut über den Strand schweifen. Von hier aus konnte sie die Stelle sehen, wo alles begonnen hatte.
     
    * * *
     
    Sie war bei Tagesanbruch joggen gegangen, erinnerte sie sich, und sie hatte diesen Sommermorgen noch deutlich vor Augen. Es war der Beginn eines strahlenden Tages. Sie nahm die Welt ringsum in sich auf, lauschte dem Kreischen der Seeschwalben und dem sanften Plätschern der Wellen, die über den Sand rollten. Obwohl sie Urlaub hatte, war sie früh genug aufgestanden, um nicht überlegen zu müssen, wohin sie laufen sollte. In wenigen Stunden würde der Strand bevölkert sein mit Touristen, die auf ihren Handtüchern in der heißen
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