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Weit wie das Meer

Weit wie das Meer

Titel: Weit wie das Meer
Autoren: Nicholas Sparks
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Theresa ein Jahr später am Strand von Cape Cod saß, dachte sie ohne Bitternis an die Ereignisse zurück, die sie hierhergeführt hatten. Aus ihrer Tasche zog sie einen Gegenstand hervor, und bei seinem Anblick durchlebte sie noch einmal die Stunde, in der sie endlich die Antwort erhalten hatte - und die Erinnerung daran war klar und deutlich, ganz anders als die an die Tage kurz nach ihrer Rückkehr aus Wilmington.
    Nachdem Deanna gegangen war, hatte Theresa versucht, ihren gewohnten Alltag wieder aufzunehmen. In der ersten Woche war sie so verstört gewesen, daß sie alles andere vernachlässigt hatte, aber das Leben war weitergegangen. Die für sie eingegangene Post hatte sie einfach in einer Ecke ihres Wohnzimmers gestapelt. Eines Abends aber, als Kevin im Kino war, begann sie zerstreut, den Stapel durchzusehen.
    Neben einer Menge von Briefen und Zeitschriften waren da auch zwei Päckchen. Eines enthielt ein Geburtstagsgeschenk, das sie für Kevin aus einem Katalog bestellt hatte.
    Das zweite war in braunes Packpapier gewickelt und ohne Absender. Es war länglich und mit zwei Aufklebern versehen: ›VORSICHT GLAS‹ und ›ZERBRECHLICH‹. Neugierig beschloß Theresa, dieses Päckchen als erstes zu öffnen.
    Und jetzt erst bemerkte sie am Poststempel, daß es in Wilmington, North Carolina, aufgegeben und vor zwei Wochen abgeschickt worden war.
    Und die Adresse war in Garretts Handschrift geschrieben.
    »Nein…« Der Atem stockte ihr, und sie legte das Päckchen auf den Tisch.
    In der Schublade kramte sie nach einer Schere und begann mit zitternden Händen, das Klebeband aufzuschneiden. Sie wußte bereits, was sich in dem Päckchen befand.
    Theresa nahm den Gegenstand behutsam aus der Verpackung und löste vorsichtig die Klarsichtumhüllung. Schließlich stellte sie den Gegenstand auf ihren Schreibtisch und starrte lange Zeit darauf. Als sie ihn an einen besser beleuchteten Platz schob, erblickte sie ihr eigenes Spiegelbild darin.
    Die Flasche war mit einem Korken verschlossen, und in ihrem Innern befand sich ein fest zusammengerollter Brief. Sie nahm ihn heraus. Er war, wie der Brief, den sie erst vor wenigen Monaten gefunden hatte, mit einem Faden umwickelt. Ganz vorsichtig löste sie den Faden und strich den Brief glatt.
    Er war mit Füllfederhalter geschrieben. In der rechten oberen Ecke war ein Segelschiff abgebildet.
     
    Liebe Theresa!
    Kannst Du mir verzeihen?
     
    Die Zeilen verschwammen vor ihren Augen, und sie mußte erst die Tränen fortwischen. Um Fassung ringend, las sie noch einmal von vorn.
     
    Kannst Du mir verzeihen?
    In einer Welt, die ich nur selten begreife, gibt es Schicksalswinde, die wehen, wenn man am wenigsten mit ihnen rechnet. Manchmal kommen sie mit der Wucht eines Hurrikans, manchmal sind sie kaum wahrnehmbar, wie der Flügelschlag eines Vogels . Aber welcher Art und Stärke sie auch immer sein mögen, so bringen sie doch oft eine Zukunft, der man sich nicht verschließen kann. Du, mein Liebling, bist der Wind, den ich nicht vorhersah, der Wind, der kräftiger wehte, als ich es jemals für möglich hielt. Du bist mein Schicksal.
    Es war falsch von mir, sofaisch, zu leugnen, was derart offenkundig war, und ich bitte Dich um Vergebung. Wie ein allzu vorsichtiger Reisender wollte ich mich vor dem Wind schützen und verlor dabei meine Seele. Ich war ein Narr, mich vor meinem Schicksal zu verschließen, aber auch Narren haben Gefühle, und mir ist klargeworden, daß Du das Wichtigste bist, das ich auf dieser Welt habe.
    Ich weiß, daß ich nicht vollkommen bin. Und in den letzten Monaten habe ich mehr Fehler gemacht als andere in ihrem ganzen Leben … Es war falsch, wie ich reagiert habe, als ich meine Briefe bei Dir fand, so wie es falsch war, Dir nicht zu erzählen, welche Qualen mir die Erinnerung an das Vergangene bereitete. Als ich hinter Deinem Wagen herlief und Dir später auf dem Flughafen nachsah, hätte ich mit aller Macht versuchen müssen, Dich zurückzuhalten. Aber mein größter Fehler war zu leugnen, was mein Herz wußte - daß ich ohne Dich nicht leben kann.
    Du hattest in allen Dingen recht. Als wir in meiner Küche saßen, versuchte ich das, was Du sagtest, zu leugnen, obwohl ich wußte, daß Du recht hattest. Wie ein Mann, der auf seiner Reise durchs Land nur zurückblickt, sah ich nichts von dem, was vor mir lag. Mir entging die Schönheit des kommenden Sonnenaufgangs, das Wunder der Vorfreude, die das Leben lebenswert macht. Das war ein großer Fehler von mir, und
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