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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken
Autoren: Thomas Finn
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sind. Ob wir das nun wollen oder nicht …« Andreas seufzte. »Nur heißt das, dass wir es uns in sechzehn Jahren nicht mehr aussuchen können, nötigenfalls uns selbst zu opfern.«
    »Vielleicht müssen wir uns noch einmal Niklas’ Unterlagen vornehmen?«, schlug Miriam vor. »Vielleicht finden wir darin irgendeinen Hinweis, der uns doch noch einen anderen Weg weist? Möglicherweise hat er uns noch mehr Informationen vorenthalten?«
    »Ich habe mir die Unterlagen bereits angesehen.« Andreas schüttelte missmutig den Kopf. »Darin befanden sich tatsächlich die Notizen von diesem Jonas. Nur habe ich aus ihnen nicht viel Neues erschließen können. Abgesehen vielleicht davon, dass ich jetzt weiß, was sich 1978 wirklich zugetragen hat.«
    »Sag schon.«
    »Wir sind damals allesamt freiwillig mit dem alten Pfarrer Strobel mitgegangen. Der Kerl hat uns weder belogen, noch hat er versucht, uns reinzulegen. Alles was er damals getan hat, war, uns die Konsequenzen für Perchtal aufzuzeigen, was passieren würde, wenn das Opfer ausfällt.«
    »Was?«, meinte Miriam erstaunt. »Wir wollten uns daraufhin allesamt opfern?«
    »Nein, ganz so verrückt waren wir nicht, auch wenn wir die Möglichkeit unseres Todes durchaus in Betracht gezogen haben. Das entnehme ich jedenfalls diesem Schwurzettel, den wir im Bootshaus gefunden haben. Nein, wir haben damals einen viel verrückteren Plan gefasst. Den Notizen ist zu entnehmen, dass wir offenbar geglaubt haben, dieses Opferritual bediene sich der Lebensenergie eines einzelnen Kindes, so, als wolle man einer Batterie Strom entziehen, die dabei komplett ausgelutscht wird. Wir dachten, man könne den Tod eines Einzelnen abwenden, wenn man sich diesem Prozess gemeinsam stellt. Wenn also jeder etwas von seiner Lebenskraft abgibt.« Er seufzte. »Ich vermute fast, der alte Strobel hat das unterstützt. Vielleicht wollte er ausprobieren, ob es funktioniert.«
    »Aber Andy, vielleicht ist das tatsächlich die Lösung?«, erwiderte Miriam hoffnungsvoll.
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht.« Andreas berührte seine Schläfen. »Du weißt doch selbst, welche Folgen das 1978 hatte. Und sei es auch nur, dass in so einer Gruppe immer einer drunter sein mag, der den Verlockungen dieses eingekerkerten Wesens nicht zu widerstehen vermag. Denk nur an Niklas. Hinzu kommt, dass der Stab offenbar tatsächlich nur auf Kinder reagiert. Wie willst du die alle entsprechend vorbereiten und kontrollieren?« Miriam öffnete den Mund, um etwas sagen, doch sie schwieg. »Selbst wenn wir Erfolg haben«, fuhr Andreas fort, »wie soll das Ganze dann zukünftig weitergehen? Was, wenn wir nicht mehr am Leben sind? Wollen wir hier allen Ernstes diesen religiösen Keltenverein von damals wieder aufleben lassen?«
    »Es ist ein Fluch.« Miriam presste unglücklich die Lippen aufeinander. »Was wir auch tun, wir entkommen ihm einfach nicht.«
    »Nein!« Andreas richtete sich entschlossen auf und nahm ihre Hand. »Genau das akzeptiere ich nicht. Ich werde verdammt noch mal kein Kind opfern. Nie wieder werde ich mich auf so einen Wahnsinn wie heute Nacht einlassen. Wir leben im zweiten Jahrtausend nach Christus. Wo auch immer dieses Geschöpf herkommt, wir verfügen heute über gänzlich andere Mittel als all unsere Vorfahren. Außerdem bleiben uns sechzehn Jahre, um uns etwas einfallen zu lassen. Du, ich und Robert. Wir können diese Zeit nutzen.« Er umschloss ihre Finger nun auch mit seiner anderen Hand. »Bist du dabei?«
    Miriam Augen funkelten. »O ja. Das bin ich. Wir werden diesem Biest in den Hintern treten. Und zwar ordentlich.« Sie lächelte, und er tat es ihr gleich. Und ein wenig war es wieder so wie früher.
    »Komm, lass uns zurückgehen.« Andreas stand auf und hakte Miriam unter. »Und wenn wir bei Robert sind, dann wirst du den Rat deines neuen Hausarztes gefälligst annehmen und dich hinlegen. Nicht, dass du mir hier noch zusammenbrichst.«
    »Ich dachte, Männer mögen es, wenn sich ihnen die Frauen zu Füßen werfen?« Miriam lächelte kokett, und Andreas musste unwillkürlich lachen. Sein Blick fiel auf jene Baumgruppe am See, dort, wo früher das Bootshaus gestanden hatte. Einen Augenblick lang glaubte er, im Schatten des Geästs ein lächelndes Mädchen stehen zu sehen. Sie war blond. Und sie sah genau so aus, wie er sie in Erinnerung behalten hatte. Seine erste große Liebe. Er würde Elke nie vergessen können. Die Erscheinung verschwand, wie sie gekommen war und Andreas wusste, dass er jetzt
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