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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken
Autoren: Thomas Finn
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Andreas konnte sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete.
    »Heißt das, wir müssen das Mädchen gar nicht opfern?«, fragte Miriam.
    Auch Andreas und Robert sahen Niklas an.
    »Nun, ich halte es für möglich, dass der Stab uns immer noch als Träger akzeptiert«, antwortete Niklas zögernd. »Ich weiß nicht warum? Vielleicht, weil wir noch leben?« Er blinzelte irritiert und sah sich verwundert zu der Wand mit dem darin eingeschlossenen Monstrum um. Dort knackste es. »Trotzdem … stimmt hier etwas nicht. Spürt ihr das nicht?«
    »Du hast recht.« Robert fasste sich gegen die Stirn. »Mir ist irgendwie komisch zumute.« Auch Andreas fühlte, wie eine seltsame Taubheit von seinen Gliedern Besitz ergriff. War das diese Kälte? Versuchte es dieses Ding jetzt mit einem neuen Trick? Andreas sah erschrocken in die Runde.
    »Bist du dir mit dem Stab und uns ganz sicher?«, herrschte Miriam Niklas noch einmal an.
    »Ja. Ja, ich glaube schon. Aber wir sollten besser bei unserem Plan bleiben.« Er hob den Zettel. »Wir gehen besser auf Nummer sicher und …«
    »Beiseite!« Miriam hob den Stab an und trat vor den eisigen Kerker. Das blaue Licht darin erstrahlte, als wittere das Ungetüm die plötzliche Gefahr. »Ich habe keine Angst vor dem Tod«, schrie Miriam die Wand an. »Glaube ja nicht, dass ich nicht den gleichen Mut wie meine Schwester hätte!«
    »Nein, nicht! Gib her!«, brüllte Niklas panisch und stürmte zu ihr. Bevor Miriam es verhindern konnte, ergriff auch er den Holunderstab. Robert folgte seinem Beispiel, doch er torkelte bereits. Auch Andreas merkte, wie eine lähmende Müdigkeit von ihm Besitz ergriff. Rasch schloss er sich den dreien an. Gott, was geschah mit ihnen? »Denkt an nichts!«, keuchte Niklas mit seltsamer Entschlossenheit. »An gar nichts, hört ihr! Lasst mich machen.« Er klammerte sich regelrecht an dem Stab fest und begann auf Lateinisch zu rezitieren. Andreas sah bereits doppelt. Derweil schwappte die Litanei, die Niklas runterspulte, wie eine Woge über ihn hinweg.:
    Nicolae sancte, qui sis ortus a corde Dei,
    dominus liberorum, te oro atque obsecro!
    accipe sacrificium eorum in perpetuum,
    dona mihi vires ad sacrum illorum omnium,
    quos tibi hodierna nocte tribuam.
    horam unam te vindicabo …
    Ein Teil seines Verstandes übersetzte die Worte mit … Heiliger Nikolaus, der du entstammst dem Herzen Gottes, Herrscher über die Kinder, ich rufe dich! Nimm ihr Opfer an für die Ewigkeit, Schenke mir Stärke für das Opfer all jener, die ich dir heute Nacht preisgebe. Für eine Stunde erlöse ich … .
    Andreas hatte genug gehört. Entsetzt ließ er den Stab los und stoppte Niklas mit einem brutalen Faustschlag ins Gesicht. »Verräter!«, brüllte er. »Du willst dieses Ding nicht bannen, du willst es befreien!«
    Niklas blutete an der Lippe und stöhnte. Noch immer umklammerte er mit einer Hand den Stab, nur dass er jetzt eine Pistole in der Rechten hielt. Alle Masken fielen von ihm ab. Sein Gesicht verzerrte sich voller Hass. »Ihr haltet mich nicht auf«, brüllte er. »Und jetzt gebt mir den verdammten Stab. Sofort!« Er rammte Robert mit der Schuler, der inzwischen so schwach war, dass er benommen in die Knie ging. Miriam hingegen schrie auf wie eine Furie und zerrte ihrerseits an dem Bischofsstab. »Schlampe!« Rücksichtslos feuerte Niklas die Pistole ab und Miriam kippte schreiend und mit blutender Schulterwunde hintenüber auf den Höhlenboden. Dort lieb sie liegen.
    »Miriam!«, brüllte Andreas entsetzt und hob die Schrotflinte. Doch er kam nicht weit, da Niklas bereits seinen Kopf anvisierte. »Fallen lassen!« In der eisigen Wand hinter Niklas knirschte es, so als würden dort Kiefer malmen. Andreas ließ die Schrotflinte mit einem Fluch auf den Höhlenboden fallen. Niklas lachte wie irre und trat einen Schritt auf die Wand mit dem dunklen Schatten zu. »Na, was sagt ihr jetzt, ihr Arschlöcher? Bin ich in euren Augen noch immer der blöde Idiot? Der fette Bücherwurm, der gerade gut genug war, euch Nachhilfe zu geben? Selbst heute seid ihr ohne mich aufgeschmissen. Nichts hat sich verändert. Gar nichts.« Er blinzelte irritiert, lachte dann aber wieder. »Von heute an wird alles für mich anders werden! Denn heute werde ich reich belohnt. Nur werdet ihr das nicht mehr miterleben, denn das hat leider seinen Preis.«
    »Du wirst selbst dabei draufgehen«, keuchte Andreas benommen.
    »Nein, werde ich nicht. Der Stabträger ist nämlich nicht unbedingt das Opfer, er
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