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Weißer Mann mit Brille

Weißer Mann mit Brille

Titel: Weißer Mann mit Brille
Autoren: Georges Simenon
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den Fersen zu bleiben, die ihr bisweilen auf die Nerven ging, denn er behandelte sie wie ein rohes Ei und trug eine besorgte Miene zur Schau, als würde er über eine Kranke wachen.
    Der Mechaniker, der drei Tage darauf eintraf, lieferte Philps einen willkommenen Vorwand, um sich praktisch von morgens bis abends auf der Plantage aufzuhalten, denn die beiden Männer nahmen
    eine gründliche Überholung der Maschine vor, außerdem mußte die Piste für den Abflug eingeebnet werden.
    Philps gab sich zwar alle Mühe, sich seine freudige Erregung nicht anmerken zu lassen, aber sie brach doch immer wieder durch. Er hatte Reisefieber! Trotz der köstlichen Erinnerungen, die ihn mit der Plantage verbanden, beglückten ihn die angenehmen Aussichten, die sich ihm darboten.
    Der Flug über den Indischen Ozean lockte ihn weniger, aber er freute sich unbändig auf seine Landung in Wellington und auf die verdatterten Gesichter der beiden Senioren.
    In der folgenden Woche kam ein zweiter Brief von Lady Makinson, in dem sie ihm mitteilte, daß sie in Therapia eine weitläufige Villa, die ehemalige Sommerresidenz des Großwesirs, bezogen hatte. Sie schickte auch ein Foto vom früheren Harem, in dem ihre beiden Kinder spielten.
    Emilienne nahm alle ihre Kraft zusammen, um nicht aus der Bahn geworfen zu werden. Auf der einen Seite Konstantinopel und der Bosporus … Auf der anderen Neuseeland … Ihr Vater schrieb ihr, daß er sich dieses Jahr schon zu einem früheren Zeitpunkt nach Vittel zur Kur begeben würde, um im August eine Kreuzfahrt nach Spitzbergen antreten zu können, von der er seit Jahren träumte. Er hegte keinen Zweifel daran, daß auf der Plantage alles zum besten stünde und die Hochzeit bald stattfinden würde. Er legte seiner Tochter ans Herz, sich vor der Malaria in acht zu nehmen, denn sein Onkel hatte im Alter unter den Folgen dieser Krankheit gelitten.
     
    Ich habe zu Hause und auch gegenüber Deinem Vater nichts verlauten lassen, schrieb Madame Graux. Ich kann mir schon denken, warum Du Dich nach Deinem ersten Brief in Schweigen gehüllt hast. Mitunter frage ich mich, ob Du ihm nicht hättest nachreisen sollen, und in den Zeitungen lese ich alle Berichte aus dem Ausland.
     
    Um sicherzugehen, daß kein Franzose in der Türkei Selbstmord begangen hatte!
    Bald würde es leer um sie werden! Während zwei Abenden hatte der Flugzeugmotor geheult, aber auch Crosby traf Reisevorbereitungen, denn in Kürze brach er nach London auf, wo er jedes Jahr vier Wochen verbrachte.
    Eines Morgens hielt der Wagen des alten Macassis vor der Außentreppe. Er verlangte ein Glas frisches Wasser, und da Emilienne sich in der Krankenstation befand, ließ er ihr durch Camille ausrichten, daß er nach Watsa fahren und in drei oder vier Wochen wieder vorbeikommen würde.
    Keine Nachricht für sie in Niangara! Philps begab sich nur noch jeden zweiten Tag dorthin. Yette hatte er nicht mehr zu Gesicht bekommen, doch ihr Mann, dessen fieberhafte Unruhe eher noch zugenommen hatte, arbeitete weiterhin im Büro.
    Seit Ferdinands Abreise waren nun schon drei Wochen vergangen, und Lady Makinsons Ankunft
    zu Hause lag über vierzehn Tage zurück. War nicht zu befürchten, daß die Reise, mit deren Verlauf sie so zufrieden war, in Wirklichkeit …
    »Camille!«
    »Ja …«
    »Wenn Captain Philps abgeflogen ist …«
    Sie schwieg. Er wartete.
    »Ich weiß noch nicht … Aber möglicherweise werde auch ich eine kleine Reise machen …«
    Doch um ihn und auch sich selbst zu beruhigen, fügte sie schnell hinzu:
    »Ich bleibe nicht lange weg … Ich fahre nur hin und komme gleich wieder zurück …«
    In der letzten Nacht schliefen Philps und Major Crosby in Camilles Zimmer, denn der Captain wollte früh starten, um möglichst noch am selben Abend in Daressalam zu landen.
    Er war nervös, seine Lustigkeit wirkte gezwungen. Er vermochte von nichts anderem zu sprechen als von seinem Fernflug. Manchmal kam es ihm zu Bewußtsein, und dann sah er sie reumütig an.
    »Ich werde Ihnen ein Telegramm schicken …«
    Dieses Wort hätte nicht über seine Lippen kommen dürfen. Er versuchte seinen Ausrutscher wiedergutzumachen:
    »Allerdings wird es keinen sonderlichen Eindruck auf Sie machen, da Sie ja inzwischen andere erhalten haben werden …«
    Alles ging sehr glatt und schnell vonstatten. Ein schweigend eingenommenes Frühstück, währenddessen alle Blicke auf die Fahnen gerichtet waren, die zur Bestimmung der Windrichtung aufgepflanzt worden waren. Es
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