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Weißer Mann mit Brille

Weißer Mann mit Brille

Titel: Weißer Mann mit Brille
Autoren: Georges Simenon
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… Soweit ist es mit uns nach fünfmonatiger Ehe gekommen!«
    Man brauchte sie nicht zum Sprechen zu animieren. Wenn niemand im Haus war, redete sie sicher mit sich selbst.
    »Ich weiß nicht, wie Sie mit Ferdinand verblieben sind, aber es ist bestimmt nicht dasselbe … Ich hatte meine Ferien bei meiner Großmutter in Charleroi verbracht, meine Mutter ist nämlich Belgierin … Georges, den ich vorher noch nicht kannte, hatte sechs Monate Urlaub zwischen zwei Einsätzen in den Kolonien … Seine Eltern wohnen in derselben Straße wie meine Großmutter, nur zwei Häuser weiter … Sein Vater ist Steiger in einem Kohlenbergwerk … Kein Grund also, den großen Mann zu spielen …«
    Unwillkürlich behielt Emilienne die Eingangstür des Amtsgebäudes im Auge, denn sie wußte, daß Philps im Auto mit der Aluminiumkarosserie bald dort vorfahren würde.
    »Wir sind ein paarmal zusammen ins Kino gegangen … Da war ich noch sehr brav, Georges kann weiß Gott nicht das Gegenteil behaupten. Ihm könnte ich freilich so manches unter die Nase reiben … Nun, diese Details sind eher unerfreulich … Sie müssen mich verstehen … Er war es, der an einem Samstag nachmittag darauf drängte, daß ich mit ihm in ein Hotel ging …
    War es nicht mein gutes Recht, daß ich danach darauf bestand, daß er mich heiratete? Erst war er einverstanden, dann druckste er herum, schließlich behauptete er, daß das Klima im Kongo für eine Frau nicht bekömmlich sei … Da habe ich ihm angedroht, daß ich alles meinen Eltern beichten würde …
    Ich mußte nach Paris zurück, und während zwei Monaten habe ich ihm dreimal in der Woche geschrieben, bis er sich endlich bereiterklärte …
    Wissen Sie, was er mir jetzt vorwirft? Ich hätte sein Leben zerstört! Jetzt lohne es nicht mehr zu kämpfen, seine Karriere sei im Eimer, am liebsten würde er gleich verrecken … Ja, er gebraucht das Wort ›verrecken‹! Im Haus sieht es heute furchtbar aus, ich kann mich einfach nicht mehr dazu aufraffen, zu putzen oder den Boy zu überwachen. Aber ich schwöre Ihnen, daß ich sehr wohl fähig bin, einen Haushalt zu führen …
    Ist es denn meine Schuld, daß die Costemans mich dauernd piesackt? Noch gestern hat sie mich auf dem Markt angerempelt und dabei so getan, als würde sie mich nicht kennen …
    Ich habe sie vor den Schwarzen aufgefordert, mir den Grund ihres Verhaltens zu erklären … Wissen Sie, was sie getan hat? Sie hat einen Sträfling hergerufen … Die haben hier die Funktion von Gendarmen … Sie hat ihm gesagt, er solle mich nach Hause bringen …
    Am Abend hat Georges kein Wort mit mir gesprochen, aber eine halbe Stunde lang putzte er seinen Revolver. Sieben Kugeln hat er eingelegt …
    Was soll ich nur machen?«
    Eben war Philps mit dem Auto eingetroffen, und Emilienne hatte sich erhoben.
    »Ich habe gehört, Ihr Vater sei Notar … Was würden Sie an meiner Stelle tun? … Gibt ihm das denn schon das Recht, die Scheidung einzureichen?«
    »Ich werde darüber nachdenken«, versprach Emilienne ungeduldig. »In der Zwischenzeit müssen Sie sich ruhig verhalten.«
    »Meinen Sie denn, das sei so einfach? Wissen Sie nicht, daß die sich hier alles herausnehmen dürfen? Der Administrator soll sogar eine Frau des Landes verweisen können. Als Grund braucht er nur anzugeben, daß ihr Benehmen dem Ansehen der Weißen schadet …«
    Zum Glück schritt Philps auf den Bungalow zu, da er sie nicht im Büro angetroffen hatte. Emilienne ging ihm entgegen.
     
    »Ist das alles, was Sie mir zu sagen haben?« jammerte Yette.
    Doch gleich darauf brach ihr Ärger durch:
    »Natürlich! Sie haben ja bei ihr zu Mittag gegessen, und da hat Sie Ihnen recht schöngetan!«
    Der Handkuß des Captains vor der Tür trug nicht gerade dazu bei, Yette zu beruhigen, die sich fluchend und schimpfend ins Innere des Hauses zurückzog.
    »Sie sind gekommen …«, begann der junge Mann verlegen.
    »Kein Telegramm?«
    »Nur aus London«, stellte der Captain schnell klar, um ihr keine falschen Hoffnungen zu machen. »Am Samstag wird der Propeller abgeschickt, und dann dauert es noch acht Tage, bis er hier eintrifft. Ich habe nach Stanleyville telegrafiert, um einen Mechaniker anzufordern, der den Motor überholt. Sie sehen, ich werde Ihnen nicht mehr lange lästig fallen.«
    Sie begann im Geiste zu rechnen: Es blieb noch eine Frist von zehn Tagen, und sie hoffte inständig, daß sie bis dahin Nachricht von Ferdinand bekommen würde.
    Camille hatte eine Art, ihr dauernd auf
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