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Weiß (German Edition)

Weiß (German Edition)

Titel: Weiß (German Edition)
Autoren: Harper Ames
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Lewin, ich habe keinen Grund zu scherzen. Ich dürfte dir das alles eigentlich gar nicht erzählen. Ich sabotiere mich quasi gerade selbst, aber bei diesem Experiment ist etwas schief gelaufen. Wir hatten wie gesagt Probleme mit der Finanzierung und die bisherigen Ergebnisse, die uns unsere Forschung eingebracht hatte, waren alles andere als zuverlässig. Wir standen kurz davor, dass das ganze Projekt eingestampft worden wäre und das konnte ich nicht zulassen! Die letzte zehn Jahre meines Lebens habe ich in diese Arbeit gesteckt und ich wollte mir das nicht kaputtmachen lassen! Also habe ich den Ablauf des Vorgehens etwas abgeändert. Wie ich vorhin gesagt hatte, besaß der Projektleiter normalerweise die volle Kontrolle über die Simulation. Dies führte allerdings dazu, dass die Ergebnisse verfälscht waren. Es war uns nicht möglich, natürliche Situationen herzustellen. Unser Eingriff war immer irgendwie spürbar, sodass dementsprechend auch die Reaktionen des Patienten nicht übertragbar waren. Ich wollte verhindern, dass das ganze Projekt an diesem kleinen Makel scheitert und deshalb habe ich die Kontrolle abgeschafft.“
    Lewin warf einen unsicheren Blick auf die Einwohner von Weiß. Konnte es sein, dass all diese Menschen nur in seinem Kopf existierten? War es möglich, dass sie alle nur seinem eigenen Geist entsprungen waren? Wie konnte es dann sein, dass sie alle gegen ihn waren? Dass sie ihn zusammengeschlagen und an einen Baum gefesselt hatten?
    „Als ich mich dazu entschloss, die Kontrollierbarkeit zu reduzieren, habe ich sozusagen dir selbst und deinem Unterbewusstsein das Zepter in die Hand gegeben. All diese Menschen hier entspringen nämlich deinem Unterbewusstsein. Sie sind angelehnt an Personen, die du aus deinem richtigen Leben kennst, aber ihre Handlungen und ihre Charaktere sind im Grunde genommen durch dich selbst bestimmt. Ich gehe davon aus, dass sie im Laufe der Zeit so etwas wie ein Eigenleben entwickelt haben. Sie werden zwar gesteuert durch dein Unterbewusstsein, aber ich schätze mal, dass es ähnlich abläuft wie in einem Traum. Die genauen Abläufe sind mir noch nicht bekannt, weil ich bisher nicht genug Zeit hatte, die Ergebnisse zu analysieren. Ich weiß nicht, was passiert ist, Lewin, aber irgendwann hat die Konstruktion angefangen, sich gegen dich zu stellen. Die Symbiose, die ihr miteinander eingegangen seid, wurde umgekehrt und ihr habt begonnen, euch gegenseitig abzustoßen. Ich kann mir nicht erklären, wie es dazu gekommen ist, aber irgendetwas muss hier vorgefallen sein. Irgendein besonderes Ereignis, dass mir verborgen geblieben ist.“
    Mit einem Mal begann Lewin zu lachen. Das alles hier war einfach zu absurd. Beinahe wäre er auf den alten Mann hereingefallen. Auf seine haarsträubende Geschichte. Aber das alles ergab doch wirklich keinen Sinn. Lewin weidete sich noch einen Augenblick an Galens verzweifeltem Blick und begann dann endlich zu sprechen.
    „Jetzt hör mir mal zu! Wenn du jemanden verarschen willst, dann musst du dir eine Geschichte ausdenken, die zumindest ein bisschen glaubhafter ist, als das hier. Für wen hältst du mich denn? Ich an deiner Stelle würde lieber zusehen, dass mich, verdammt noch mal, endlich jemand von diesem beschissenen Baum herunterholt!“
    Galen sackte kurz in sich zusammen, blickte zu Boden und scharrte mit dem Fuß im Dreck. Er malte kleine Kreise in den Sand, als sich sein Körper plötzlich wieder spannte und er den Kopf hob. „Was ist mit der Münze? Oh Gott, wieso habe ich nicht gleich daran gedacht? Lewin, hast Du die Münze noch?“
    Lewin zuckte erschrocken zusammen. Woher wusste Galen von der Münze? Er deutete ein Kopfschütteln an.
    „Verdammt! Lewin, diese Münze war ungeheuer wichtig. Sie war ein Symbol, so eine Art Erkennungszeichen für Situationen wie diese. Sie sollte im Notfall dafür sorgen, meine Worte zu beweisen. Du hättest sie nicht verlieren sollen!“
    Er schlug sich mit der Hand dreimal ärgerlich an die Stirn.
    „Was ist mit den Tabletten? Nimmst du deine Tabletten noch?“
    Lewin deutete ein neuerliches Kopfschütteln an.
    „Die Tabletten waren ein Stabilisierungsritual. Sie waren für deine Gesundheit völlig wirkungslos, aber sie sollten sicherstellen, dass hier nicht alles auseinanderbricht. Scheiße!“
    Lewin schauderte. Er hatte den Arzt noch niemals fluchen gehört und dementsprechend merkwürdig kam ihm jetzt dieses Wort aus seinem Mund vor. Aber genau dadurch wirkte es so bedrohlich. Auch
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