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Margos Spuren

Margos Spuren

Titel: Margos Spuren
Autoren: John Green
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    Vorwort
     
    Also, wie ich die Sache sehe, erlebt jeder irgendwann mal ein Wunder. Ich meine, es ist zwar unwahrscheinlich, dass ich vom Blitz getroffen werde oder einen Nobelpreis kriege, Diktator eines Inselstaats im Pazifik werde, an Ohrenkrebs sterbe oder mich spontan selbst entzünde. Aber wenn man alle unwahrscheinlichen Dinge, die passieren könnten, zusammennimmt, ist es wahrscheinlich, dass jedem von uns zumindest einmal etwas davon passiert. Ich hätte zum Beispiel Zeuge werden können, wie es Frösche regnet. Oder ich hätte den ersten Schritt auf dem Mars machen können. Oder von einem Wal verschluckt werden können. Ich hätte die Queen heiraten oder monatelang auf dem Ozean überleben können. Doch stattdessen erlebte ich ein anderes Wunder. Und zwar folgendes : Von all den Hunderttausenden von Häusern in den Tausenden von Neubausiedlungen in ganz Florida wohnte ich ausgerechnet in dem Haus neben Margo Roth Spiegelman.
     
    Unsere Siedlung hieß Jefferson Park und war mal ein Marinestützpunkt. Dann brauchte die Navy den Stützpunkt nicht mehr und gab das Land an die Bürger von Orlando zurück, die beschlossen, eine riesige Neubausiedlung hochzuziehen, weil man das in Florida mit Land so machte. Und kaum waren die ersten Häuser gebaut, zogen meine Eltern und Margos Eltern ein, genau nebeneinander. Da waren Margo und ich zwei Jahre alt.
    Bevor Jefferson Park ein Wohnviertel wurde und noch bevor es ein Marinestützpunkt war, hatte das Land mal einem Mann namens Jefferson gehört, Dr. Jefferson Jefferson, um genau zu sein. Dr. Jefferson Jefferson war eine bekannte Persönlichkeit in Orlando, Schulen und Wohltätigkeitsorganisationen waren nach ihm benannt, doch das Merkwürdige an ihm war, dass Dr. Jefferson Jefferson überhaupt kein Doktor war. Er hatte als einfacher Orangensaftverkäufer namens Jefferson Jefferson angefangen. Und als er reich und mächtig war, ging er zum Standesamt und ließ seinen Namen ändern. Er ließ sich einen zweiten Vornamen eintragen, den er seinem ersten voranstellte : »Dr.« Großes D. Kleines r. Punkt. In Amerika ist so was möglich.
     
    Margo und ich waren inzwischen neun. Unsere Eltern hatten sich angefreundet, und wir spielten manchmal zusammen oder fuhren mit dem Rad durch unser verkehrsberuhigtes Viertel zum Jefferson-Park im Herzen der Siedlung.
    Ich wurde immer ganz nervös, wenn Margo kam, denn immerhin war sie das schönste und tollste Wesen auf Gottes Erde. An jenem Morgen hatte sie weiße Shorts an und ein rosa T-Shirt mit einem grünen Drachen darauf, der glitzerndes orangenes Feuer spuckte. Es ist schwer zu beschreiben, wie toll ich Margos T-Shirt damals fand.
    Wie immer radelte Margo im Stehen, mit verschränkten Armen, über den Lenker gebeugt, und ihre lila Turnschuhe drehten sich so schnell auf den Pedalen, dass sie aussahen wie eine lila Wolke. Es war ein drückend heißer Märztag. Der Himmel war blau, doch die Luft schmeckte säuerlich, als würde später ein Sturm aufziehen.
    Ich wollte Erfinder werden, und als wir die Fahrräder abgeschlossen hatten und das kurze Stück zum Spielplatz liefen, erzählte ich Margo von meiner neuesten Idee, dem Ringolator. Der Ringolator war eine riesige Kanone, mit der man riesige bunte Steine in eine niedrige Erdumlaufbahn schießen konnte, so dass die Erde Ringe bekam wie der Saturn. ( Ich finde immer noch, dass es eine gute Idee ist, aber der Bau einer Kanone, die Felsbrocken in eine niedrige Umlaufbahn schießt, scheint relativ kompliziert zu sein. )
    Ich war so oft in dem Park gewesen, dass ich eine präzise Landkarte davon im Kopf hatte, und so fiel mir schon nach wenigen Schritten auf, dass irgendwas nicht so war, wie es sein sollte, auch wenn ich nicht gleich wusste, was.
    »Quentin«, sagte Margo ganz ruhig und leise.
    Sie streckte den Zeigefinger aus. Und dann sah ich, was nicht stimmte.
    Vor uns stand die dicke Eiche, knorrig und kraftstrotzend und uralt. Das war wie immer. Rechts von uns war der Spielplatz. Auch das war wie immer. Am Stamm der Eiche aber lehnte ein Mann, der einen Anzug trug. Und das war neu. Er bewegte sich nicht. Er saß in einer Blutlache. Aus seinem Mund quoll halb getrocknetes Blut. Der Mund stand offen, wie Münder eigentlich nicht offen stehen sollen. Fliegen saßen auf seiner bleichen Stirn.
    »Er ist tot«, erklärte Margo, als wäre mir das nicht auch schon aufgefallen.
    Ich wich zwei Schritte zurück. Ich erinnere mich, wie ich dachte, er würde aufwachen und über
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