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Weiß (German Edition)

Weiß (German Edition)

Titel: Weiß (German Edition)
Autoren: Harper Ames
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Simon, Sami und David zu finden. Ebenfalls erkennen konnte er Wotan und die bärtige Hure, Rikko, die Grubenbauers und das schmutzige Kind, das die toten Katzen gesammelt hatte. Er entdeckte immer mehr Menschen, von denen er die meisten nicht einmal bei Namen kannte. Sie alle starrten mit anklagenden, aber unbeweglichen Gesichtern zu ihm herauf. In der Luft lag ein Knistern, aber niemand schien zu wissen, wie es weitergehen sollte. Vielleicht wartete jemand darauf, dass er selbst das Wort ergriff?
    Lewin wollte den Mund öffnen, um etwas zu sagen, als Simon zögernd einen Schritt nach vorn trat. Er sah Lewin direkt in die Augen, seine Stimme zitterte. „Ich denke, du weißt, was hier los ist. Du bist ganz offensichtlich durchgedreht.“
    Lewin musste sich beherrschen, um nicht vollkommen hysterisch loszukreischen. Diese Wahnsinnigen hatten ihn zu Brei geschlagen und an einem verdammten Baum aufgehängt! Und sie warfen ihm vor, er wäre durchgedreht?
    Das war aber offensichtlich noch nicht alles. Simon redete noch weiter und auch seine nächsten Worte brachten Lewin innerlich zum Schreien. „Du bist nicht länger tragbar, Lewin, und ich denke das weißt du auch. Es tut uns allen irgendwie leid, aber vor allen Dingen mir persönlich. Ich habe dich echt mal gemocht. Du warst mal ein feiner Kerl. Aber irgendwie sind die Dinge bei dir aus dem Ruder gelaufen und wir können dich nicht länger hierbehalten!“
    Wovon redete dieser Kerl eigentlich? Lewin verstand nicht ein Wort von dem, was Simon sagte. Einen Augenblick lang überlegte er, ob das alles hier vielleicht ein riesiger, beschissener Scherz war, der eindeutig auf seine Kosten ging. Aber dann fielen ihm Kneif und Harald und die anderen ein und der Gedanke an einen Scherz verflüchtigte sich. Stattdessen keimte in Lewin nun die Frage auf, was Simon damit gemeint hatte, als er sagte, dass er nicht länger hier bleiben könne und nicht mehr tragbar wäre. Wollten die ihn etwa tatsächlich umbringen? Der Einzige, dem Lewin das zutraute, war Kneif und den hatte er heute Nachmittag selbst erledigt. Es kam ihm auch irgendwie nicht richtig vor. Er selbst hatte sich rasend schnell mit dem Gedanken angefreundet, diese ganze Stadt auszulöschen, aber daran, dass es auch umgekehrt enden konnte, hatte er keinen Augenblick gedacht.
    Zum wiederholten Male fragte Lewin sich nun, was in aller Herrgotts Namen hier vor sich ging. Erneut öffnete er den Mund, um etwas zu sagen, als plötzlich eine Frau aus der Menge hervorsprang, unverständliche Worte in den Himmel schrie und ihm einen kleinen Gegenstand an den Kopf warf.
    Lewin hatte keine Chance zu reagieren, da die Fesseln ihn eng an den Baum gepresst hielten. Er konnte auch nicht erkennen, was die Frau nach ihm geworfen hatte, aber es verfehlte sein Gesicht nur knapp und traf ihn stattdessen an der rechten Schulter. Es tat nicht einmal weh, aber für einen winzigen Augenblick hatte Lewin die Befürchtung, dass die anderen Leute dem Beispiel der kreischenden Frau folgen würden. Zu seinem Glück blieb eine solche Massenreaktion aus. Das hielt die Frau aber nicht davon ab, weiterhin wie eine Furie auf und ab zu springen, ihre Arme wild in die Luft zu schleudern und mit einer grässlich grellen Stimme hysterische Flüche in die Nacht hinaus zu kreischen.
    Lewin musste wirklich an sich halten, um nicht über die Frau zu lachen, aber ihm war klar, dass ein solches Verhalten zu seiner sofortigen Hinrichtung geführt hätte. Die Stimmung in der Menge unter ihm war zum Zerreißen gespannt und nur der kleinste Anstoß von ihm würde genügen und sie würden ihn bei lebendigem Leib e in Stücke reißen, dessen war er sich sicher. Trotzdem konnte er noch immer keine Furcht in sich verspüren. Da war nichts außer Belustigung und Neugier, die in ihm aufkochte und langsam immer stärker wurde. Es schien ihm, als wären diese aufgebrachten Menschen nicht dazu in der Lage, ihm wirklich gefährlich zu werden. Er fühlte sich erhaben und größer als sie. Sie waren wie Würmer, denn sie hatten nichts begriffen. Sie wussten nicht das, was er wusste. Er war auserwählt. Lydia hatte ihn auserwählt und nun war er in der Lage dazu, sie alle zu vernichten. Nichtsdestotrotz konnte er sich vorher natürlich mit ihnen amüsieren.
    Die Frau tobte noch immer wie eine Wahnsinnige; Sami und David mussten ihre ganzen Kräfte aufbringen, um sie zu beruhigen. Die restliche Menge stand weiterhin stumm da und betrachtete das Spektakel schweigend. Endlich trat
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