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Weil du mich erloest

Weil du mich erloest

Titel: Weil du mich erloest
Autoren: Beth Kery
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verlasse?«, wunderte sich Ian. Er hatte gedacht, dass sein Großvater es ihm überlassen würde, zuerst mit Francesca zu sprechen und ihr die Nachricht selbst zu überbringen.
    »Nein. Das musste er gar nicht«, sagte sie leise. »Er hat mich nur wissen lassen, dass Markov angerufen hat und alles darauf hinweist, dass Stern und Brodsik alleine gearbeitet haben. Die beiden sind weg, also ist auch die Bedrohung weg. Du hast jetzt keinen Grund mehr hierzubleiben.« Sie hob das Kinn. Er freute sich, in ihren Augen Trotz und Wut zu sehen. Das war ihm wesentlich lieber, als wenn er sie traurig gesehen hätte. »Du hast mir ja gesagt, dass das der einzige Grund war, weshalb du nach Belford zurückgekommen bist. Weil du dir Sorgen um meine Sicherheit gemacht hast.«
    »Ich bin her gekommen, weil ich dich liebe«, sagte er knapp. »Ich kann aber verstehen, wenn es dir unter diesen Umständen schwerfällt, das zu glauben …«
    »Ich glaube dir aber«, fiel sie ihm fest ins Wort. Dass sie schwer schlucken musste, konnte er an ihrem Hals sehen. Sie betrachtete einen Moment lang den Teppich und atmete durch die Nase. Sie beruhigte sich selbst, war Ian klar. Den Wunsch, sie in die Arme zu schließen und zu besänftigen, spürte er wie ein Messer im Bauch, doch er zwang sich dazu, diesen Instinkt zu ignorieren. Diesen Schmerz. Er würde die Sache für sie nur schlimmer machen, wenn er auf sie zuginge. Würde es für beide schlimmer machen.
    Und er musste fortgehen. Er musste.
    »Nachdem ich mit Lucien gesprochen hatte«, sagte sie mit belegter Stimme, »habe ich ein bisschen im Internet recherchiert.«
    »Worüber denn?«, fragte Ian wachsam. Sie hatte doch jetzt nicht angefangen, im Netz nach Trevor Gaines zu suchen? Oder doch?
    »Über Kinder von Vergewaltigungen.«
    Diese einfache Antwort verblüffte ihn.
    »Und worüber genau?«, wollte er wissen. Ihm war unbehaglich zumute.
    Sie schlug die Arme vor der Brust übereinander und schaute weg.
    »Ich weiß, dass du jetzt ernstzunehmende Beweise dafür hast, dass Helen wirklich vergewaltigt wurde. Das muss dich erschüttert haben.«
    »Du und ich, wir beide wissen, dass ich das schon immer vermutet habe, besonders nachdem ich von Gaines erfahren habe.«
    »Ja. Aber vermuten und wissen sind zwei ganz unterschiedliche Dinge, oder?«, fragte sie leise. Er gab keine Antwort. Er war zu sehr damit beschäftigt, der Wahrheit ihrer Worte nachzuspüren. Die Bestätigung, dass seine Mutter vergewaltigt worden war, hatte ihn in seinem Innersten getroffen – die Beschreibung von Fatima, wie sie Helen vorgefunden hatte, so verletzlich und getroffen. »Ich weiß nicht, warum ich bislang nicht versucht habe, es besser zu begreifen«, fuhr Francesca fort. »Beziehungsweise verstehe ich es durchaus, aber ich gebe es nicht gerne zu.«
    »Worüber sprichst du gerade?«, fragte Ian verdutzt.
    »Ich habe ein paar Texte von Leuten gelesen, die selber Kinder von Vergewaltigern sind, die darüber berichtet haben, was sie als Kinder und Erwachsene durchgemacht haben und wie sie das betroffen hat. Dabei habe ich verstanden, dass ich es gewesen bin, die bislang alles geleugnet hat.« Sie blickte ihn an. In ihren Augen sammelten sich Tränen, doch ihre Miene blieb herausfordernd und schien von irgendetwas zum Glühen gebracht worden zu sein, das er nicht verstand. »Ich wollte, dass du wieder der Mann wirst, den ich kannte, der Liebhaber, den ich einmal kennengelernt habe. Ich wollte mir nicht eingestehen, dass das Wissen über Trevor Gaines dich verändert hat. Ich wollte das nicht zugeben, denn hätte ich es getan, hätte das bedeutet einzusehen, dass ich vollkommen hilflos war. Es einzugestehen hätte bedeutet, dass ich dich daraufhin hätte loslassen und für immer hätte gehen lassen müssen.«
    »Ich möchte nicht, dass das für immer sein muss«, rief er aus. »Ich möchte meinen Weg zu dir zurückfinden.«
    »Ich weiß. Ich habe gesagt, dass ich es schon wusste – als wir im Gärtnerhäuschen waren –, aber das stimmt nicht.« Sie lachte schrill. Sie schlang die Arme noch fester um ihre Rippen, so als wolle sie sich selbst stützen. »Ich glaube, eines meiner Probleme ist, dass du immer so stark wirkst. So undurchdringlich. All die Menschen, von denen ich im Internet gelesen habe – die, die ebenfalls nach einer Vergewaltigung auf die Welt gekommen sind –, haben davon berichtet, wie diese Tatsache ihr Selbstwertgefühl berührt hat. Sie fühlten sich beschämt, wertlos, obwohl ihnen die
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