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Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand
Autoren: Luanne Rice
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gefahrenreiches Schlusswort war.
    »Und warum brauche ich heißen Sand?«, rief sie.
    »Weil du ein Beachgirl bist«, kam die Antwort. Nell bedachte Stevie mit einem durchtriebenen Lächeln, das sie auf Anhieb an Emma erinnerte – der Anblick ließ sie erschauern und machte ihr weiche Knie. Stevie sah dem Mädchen nach, das sich seinen Weg den Hügel hinunter bahnte. Tilly tauchte neben ihr in der offenen Tür auf.
    Nell winkte ihr noch einmal zu. Und dann war sie verschwunden.

    »Wo warst du?«, fragte Jack im gleichen Augenblick, als Nell das Cottage betrat. Es war klein und praktisch eingerichtet, zum Vermieten geeignet. Ein Standardsofa mit Sackleinenbezug, zwei Sessel mit Armlehne gegenüber einem großen Fernsehgerät, Resopaltisch mit vier Stühlen und gerahmte Seelandschaften an den Wänden, wie man sie überall zu Gesicht bekam.
    »Wir wollten gerade die Nationalgarde verständigen«, meinte Francesca.
    »Das wäre eine Verschwendung von Steuergeldern«, konterte Nell.
    »Nell …«, sagte Jack warnend. »Benimm dich.«
    »Tut mir Leid. Ich hätte ›Ma’am‹ sagen sollen.«
    Francescas sah, das musste man ihr zugute halten, belustigt aus. »Ich finde es herrlich, ›Ma’am‹ genannt zu werden. Woher wusstest du das?«
    Nell zuckte die Achseln. Jack sah, dass sie Schürfwunden an den Knien hatte, notdürftig verdeckt von zwei kleinen Pflastern. »Was ist denn mit dir passiert?«, fragte er.
    »Ich bin hingefallen.«
    »Wer hat dir das Pflaster gegeben?«
    »Eine nette Dame.«
    Jack musterte seine Tochter. Wenn sie wütend war, konnte sie einem mörderisch einheizen. Dass Francesca die ganze Strecke von Boston hierher gefahren war, um Tennis zu spielen und zu schwimmen, hatte offenbar eine Lawine von Gefühlen ausgelöst, die noch nicht zum Stillstand gekommen war. Jack sah den finsteren Blick seiner Tochter und wünschte, er könnte ihn vertreiben.
    »Nell. Du hast zu Francesca gesagt, dass du an den Strand gehst. Wir haben dort nach dir gesucht, aber du warst wie vom Erdboden verschluckt. Als Francesca meinte, dass wir die Polizei einschalten wollten, war das nur ein halber Scherz. Ich hätte dir noch fünf Minuten gegeben, dann hätte ich dort angerufen. Immerhin wäre es ja möglich gewesen, dass du ertrunken bist oder entführt wurdest – solche Gedanken gehen deinem alten Herrn nun mal durch den Kopf. Also noch einmal, ganz von vorne. Was war das für eine nette Dame?«
    »Eine Freundin von Mom.«
    Jack starrte sie an. Er glaubte zu hören, wie sich Francesca räusperte: ein höfliches, leises »Ahem«.
    »Wieso bist du einer Freundin von Mom über den Weg gelaufen? Moms Familie kommt schon lange nicht mehr hierher.«
    »Manche Dinge ändern sich im Lauf der Zeit eben nicht«, sagte Nell mit einem Seitenblick auf Francesca. »Einige Freundschaften halten ein Leben lang. Die wichtigen.«
    »Wie heißt diese Freundin?«
    »Stevie Moore.«
    »Oh mein Gott!«, rief Francesca. »Die Kinderbuchautorin?«
    Nell nickte. »Sie war die beste Freundin meiner Mutter, von Kindesbeinen an.«
    Jack versuchte, sich Emmas Strandfreundschaften ins Gedächtnis zu rufen, aber die Bilder waren verschwommen. Damals hatte er nur Augen für Emma gehabt. Doch der Name Stevie Moore war ihm bekannt; Emma hatte aus irgendeinem unerfindlichen Grund eine Abneigung gegen ihre Bücher gehabt, wollte nicht, dass Nell sie las.
    »Cool«, meinte Francesca. »Als Kind habe ich ihre Bücher geliebt. Da gab es eines über Vogelnester, das hat mich inspiriert, Bauingenieurin zu werden, Ehrenwort. Und diese wunderbaren Zeichnungen – sie glichen Blaupausen! Stöckchen, Zweige, Papierfetzen, Schmuckband – wenn man die Haarbürste säubert und die Haare aufs Fensterbrett legt, werden sie von den Vögeln geholt, für den Bau ihrer Nester.«
    Jack sah Nell an, auf eine Reaktion wartend, die prompt erfolgte.
    »Das machte meine Mutter immer«, bestätigte sie. »Sie überließ sie den Vogelmüttern, um ihnen beim Nestbau zu helfen …«
    Sie hatte Recht: Emma hatte genau das getan. Nachdem sie Nells Haare gebürstet hatte … das gehörte zum Ritual, bei dem ihr Jack gerne zusah; diese Gewohnheit war Teil ihrer Persönlichkeit und der Freude darüber, Nells Mutter zu sein.
    Jack starrte Nell an. Wie war es ihr gelungen, die Freundin ihrer Mutter aufzuspüren? Sie hatte ihn nicht um Unterstützung gebeten – oder doch? Was hatte es mit den Fragen nach dem blauen Haus am Ende des Strandes auf sich gehabt? Hatte sie wieder
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